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Der Weg ins Dunkel

Der Weg ins Dunkel

Titel: Der Weg ins Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Woodhead
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zwischen den Punkten. Daneben kritzelte sie eine grobe Überschlagsrechnung für den Spritverbrauch, bevor sie den Daumen auf eine Taste des Funkgeräts drückte.
    «Alles klar, ich flieg hin. Voraussichtliche Flugzeit fünfundzwanzig bis dreißig Minuten. Gibt es Tote und Verletzte?»
    «Negativ. Sieht aus, als hätten wir Glück gehabt.»
    Es knackte in der Leitung, und Bear zögerte einen Moment, ehe sie sagte: «Ach, Johnny, eine Frage noch. Wer führt da momentan die Aufsicht?»
    «Wilhelm.»
    «Alles klar, danke. Hotel Juliet.»
    Bear schüttelte den Kopf und legte die Karten auf den Kopilotensitz. Sie sah auf ihre nackten Beine und ärgerte sich, dass sie am Morgen einen engen Rock angezogen hatte. Unwillkürlich rutschte sie auf dem Sitz herum, um den hochgerutschten Rocksaum etwas herunterzuziehen, aber der Effekt war minimal. Sie hob einen Arm, um Schub und Kompass zu checken. Die Bluse klebte ihr am Oberkörper und zeichnete ihre Brüste ab. Wieder schüttelte sie den Kopf.
    Das würde schon genügen, um das Testosteron der Minenarbeiter in Wallung zu bringen. Auf ihrem Posten mitten in der Kalahari sahen sie wochenlang keine Frau. Die meisten hatten nur in den Vergnügungslokalen der nahen Kleinstadt Kontakt zu Frauen. Nicht selten gaben sie ihren Monatslohn an einem einzigen Wochenende für Schnaps und Huren aus. Ein hoher Preis, fand Bear, wenn man die Frauen kannte, die in Bloemfontein zu haben waren.
    Ausgerechnet heute trug sie nicht ihr Piloten-Outfit, sondern hatte sich für ein geschäftliches Meeting zurechtgemacht. Die maßgeschneiderte Kostümjacke, passend zum Rock, hing ordentlich über der Rückenlehne ihres Schreibtischstuhls im Büro. Sie hatte es so eilig gehabt, nach Kapstadt zurückzukehren, dass sie sie vergessen hatte.
    Bear band ihr langes schwarzes Haar zum Pferdeschwanz zusammen und sah noch einmal an sich herunter. Ihre Bluse klebte förmlich an ihren Brüsten.
    «Shit!», fluchte sie leise. Selbst ein so kurzes Wort hatte bei ihr einen französischen Akzent. Sie knöpfte ihre Bluse weiter zu und versuchte, den Stoff von der Haut zu lösen.
    Ausgerechnet Wilhelm! Dieser Bastard von einem Buren hätte sie einmal beinahe angesprungen, als sie einen unförmigen Overall trug. Nicht auszudenken, wie er auf ihr heutiges Outfit reagieren würde. Wenn sie bloß sein anzügliches Grinsen sah, hatte sie große Lust, ihn bei den Eiern zu packen und zuzudrücken, bis ihm das Grinsen verging.
    Wieder schüttelte sie den Kopf und drückte den Steuerknüppel nach vorn, um die Flughöhe in einer steilen Kurve zu senken. Je weniger der Höhenmesser anzeigte, desto lauter wurde der Wind. Sie hielt den Steuerknüppel gedrückt und genoss das Gefühl, wirklich zu fliegen. Selbst eine alte Klapperkiste wie diese Cessna konnte Spaß machen, wenn man wusste, was man aus ihr rausholen konnte.
    In vierzig Metern Höhe beendete sie den Sinkflug und blickte zwischen ihren Instrumenten und dem Horizont hin und her. Alles andere blendete sie aus. Sie flog, wie ihr Vater, Jean-Luc, es ihr beigebracht hatte. Angefangen hatte sie als schlaksiger Teenager, als sie kaum genug Kraft in den Armen hatte, um nach dem Tauchen wieder an die Wasseroberfläche zu schwimmen. Noch heute glaubte sie manchmal seine sanfte Stimme in ihrem Headset zu hören. Immer unaufgeregt, immer präzise. Die Art, wie er ihr Anweisungen für ihre ersten Landungen erteilte, als der Boden immer näher kam und dann plötzlich so nah war, dass sie vor Adrenalin kaum noch atmen konnte, war einfach großartig. Obwohl es sich anfühlte, als würden die Termitenhügel der Savanne das Fahrwerk abreißen, sagte er ganz zuversichtlich, sie solle einfach weitermachen, alles sei in Ordnung, sie solle ruhig noch tiefer gehen.
    So war es immer gewesen, wenn sie mit ihm flog. Sein Flugstil war eine der zahlreichen Macken, die er sich als Söldner in Afrika zugelegt hatte. Dieses Leben hatte ihn geformt – und so hatte er seine Tochter geformt.
    Sie war das Ergebnis einer Nacht, die ihr Vater als französischer Söldner mit einer Hemafrau im Osten Kongos verbracht hatte. Damals war ihr Vater noch anders gewesen, ein freundlicher Mensch mit festen Grundsätzen, die mit seinem Beruf kaum zu vereinbaren waren.
    Acht Jahre nach jener folgenreichen Nacht hatte Bears Mutter das Mädchen verlassen, um einem Händler zu folgen, der in Lubumbashi das große Geld machen wollte. Jean-Luc hatte zufällig davon erfahren und sich auf die Suche nach seiner Tochter

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