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Der Weg ins Dunkel

Der Weg ins Dunkel

Titel: Der Weg ins Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Woodhead
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in die Männer. Sie lösten ihre dichten Reihen auf und stellten sich hintereinander auf. Dann trat ein großer Mann hinter einem Baum hervor. Beeindruckende Muskelpakete zeichneten sich an seinem Oberkörper und seinen Armen ab. Auch sein Kopf war auffallend groß. Als er ins Licht trat, sah man die Narben in seinem Gesicht, die seine Stammeszugehörigkeit anzeigten und von der Stirn bis zum Kinn reichten.
    Er blieb stehen, und ein zweiter Mann von genauso beeindruckender Statur trat hervor. Im selben Moment ertönte ein vielstimmiges hohes Gejohle. Alle Soldaten beteiligten sich daran und schwenkten ihre Waffen. Es war, als sei der ganze Wald plötzlich zum Leben erwacht, und Xie und Jian sahen sich von enthusiastischen Soldaten umgeben, deren übler Geruch ihnen in die Nasen stieg. Es war der Geruch von Erde und Schweiß – der Geruch von Afrika.
    Das Gejohle wurde immer lauter und erreichte seinen Höhepunkt, als Joseph-Désiré Mordecai die Lichtung betrat. Er war höchstens fünfundvierzig, groß und hellhäutiger als seine beiden Bodyguards. Sein blendend weißer Anzug schien in der Sonne beinahe zu leuchten.
    Mit ausgestreckter Hand ging er an der langen Reihe der Soldaten entlang, die sich danach drängelten, ihm möglichst nahe zu kommen und ihn wenigstens mit den Fingerspitzen zu berühren. Das alles interessierte ihn aber nicht im Geringsten. Er ging langsam, ließ seine Hand lässig von einem Soldaten zum nächsten wandern, berührte die jungen Männer aber kaum. Er schien sich in einer Aura aus Licht zu bewegen, in die kein anderer einzudringen wagte. Vor Xie und Jian blieb er stehen und sah sie schweigend an.
    Erst jetzt konnten sie sein Gesicht sehen – die hohen Wangenknochen, die schmale, wie gemeißelt wirkende Nase. Seine glatte Stirn wurde von einer vertikalen Falte zwischen seinen Augenbrauen unterbrochen. Am beeindruckendsten aber waren seine Augen. Sie waren hellgrün und schienen fast durchsichtig zu sein. In seinem Blick lag eine Mischung aus Wohlwollen und Güte, als hätten die beiden Chinesen etwas Fürchterliches angerichtet, das er, Mordecai, ihnen aber gnädig zu verzeihen bereit sei.
    Das Monster, das sie erwartet hatten, entpuppte sich als ein überaus ansehnlicher und selbstsicherer Mann, der sogar eine gewisse Heiterkeit ausstrahlte.
    «Brüder», sagte Mordecai und breitete die Arme aus. «Endlich lernen wir uns kennen.»
    Jian reagierte als Erster, verbeugte sich militärisch knapp und streckte dann die Hand aus.
    Mordecai sah seine Hand nur an, ohne sie zu ergreifen. Stattdessen legte er seine Hände auf den Rücken und lächelte gönnerhaft.
    «Sie haben uns sehr geholfen», sagte er. «Mit Ihren Waffen konnten wir diese Armee hier ausrüsten und werden die Hunde aus Kinshasa vertreiben.»
    Er wurde von Wort zu Wort lauter, und es war offensichtlich, dass er weniger zu den Chinesen als vielmehr zu seinen Soldaten sprach. Schließlich wandte er sich direkt an sie: «Seid ihr bereit für Kinshasa, meine Kinder? Bereit für den Krieg?»
    Die Soldaten johlten wieder los, nachdem sie ihrem Anführer hingerissen gelauscht hatten.
    Mordecai schloss die Augen und genoss die allgemeine Hysterie. Als er sie wieder öffnete, sagte er zu Jian: «Sie sehen: Wir sind bereit.»
    Dann warf er den Kopf in den Nacken und brüllte, so laut er konnte: «Die Zeit ist gekommen, meine Kinder! Morgen beginnt der lange Marsch auf Kinshasa, und wir werden verbrannte Erde hinterlassen. Wir sind Soldaten des Lichts und werden diese nichtswürdigen
muzungus
wie Kakerlaken zertreten. Seid ihr bereit für diesen Kampf?»
    Die Menge grölte.
    «Seid ihr bereit, in Blut zu baden?»
    Das Gebrüll der Soldaten war ohrenbetäubend.
    «Dann beweist es mir!», schrie Mordecai.
    Die Soldaten begannen «Mor-de-cai! Mor-de-cai!» zu skandieren, erst verhalten, dann immer lauter. Es hatte etwas Roboterhaftes und machte den Chinesen klar, dass diese Männer wie auf Knopfdruck alles tun würden, was ihr Anführer von ihnen verlangte, und zwar mit Begeisterung.

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 23
    Mordecai gab seinen Bodyguards ein Zeichen und setzte sich Richtung Waldrand in Bewegung, gefolgt von den Chinesen. Im Unterholz verborgen standen noch viel mehr Soldaten. Auf der Lichtung hatte sich also nur so etwas wie die Vorhut präsentiert, in Wahrheit war Mordecais Armee viel größer.
    Ein schmaler Pfad wand sich durch die Bäume zum Fuße des Vulkans, wo grobe Stufen in den schwarzen Fels gehauen worden waren. Die

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