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Der Weg ins Dunkel

Der Weg ins Dunkel

Titel: Der Weg ins Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Woodhead
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würde ihm mit jeder Umdrehung der Rotorblätter der Schädel gespalten. So schlimm war es noch nie gewesen. Er schloss die Augen und kratzte die trockene Stelle am Hemdkragen. Wenn dieser verdammte Flug doch nur zu Ende wäre!
    Xie saß ihm mit übereinandergeschlagenen Beinen gegenüber und trug denselben braunen Anzug wie am Vortag. Unter den Armen war er inzwischen völlig verknittert, und je mehr Schweiß er auf dem endlosen Flug über den Wald aufsog, desto dunkler wurde er. Xie sah zu dem General hinüber, der schmallippig und mit geschlossenen Augen dasaß. Vor nicht allzu langer Zeit musste er sich einen Schnauzbart abrasiert haben, denn dort war seine Haut etwas heller. Auch seine Frisur sah anders aus, als Xie sie in Erinnerung hatte. Jedenfalls war sie jetzt militärisch kurz, an den Seiten schien sogar die Kopfhaut durch. Dieses strenge Äußere war eigentlich gar nicht Jians Stil, und Xie fragte sich, was wohl dahintersteckte.
    Durchs Fenster sah er die beiden Begleithubschrauber, die zusammen mit ihrer eigenen Maschine eine Dreiecksformation bildeten. Über ihnen flog ein vierter Hubschrauber, der vor Waffen nur so strotzte, aber nur zwei Mann an Bord hatte, die merkwürdigerweise hinter- statt nebeneinander saßen. Plötzlich drehte dieser Hubschrauber bei und fiel in einer scharfen Kurve zurück. Xie griff an den Sicherheitsgurt, um sich daran festzuhalten, weil er glaubte, sie würden diesem Kurs folgen, doch stattdessen flogen sie unbeirrt weiter geradeaus.
    Eingerahmt von einem Maschinengewehr und dem Fensterrahmen, kam ein riesiger Vulkan in Sicht. Zuerst sah Xie eine Rauchsäule, die aus dem Krater aufstieg, dann im Näherkommen die schwarze Flanke des Bergs, die ein paar hundert Meter über das Blätterdach des Waldes ragte.
    Die Hubschrauber schwenkten aus, um den Vulkan von Norden anzufliegen. Knapp zwanzig Meter über dem Boden blieben sie in der Luft stehen. Xie reckte den Hals, um besser sehen zu können. Plötzlich schien der Wald unter ihnen wegzurutschen. In Wahrheit wurden riesige Tarnnetze von einer Lichtung weggezogen und gaben den Blick auf eine Fläche von der Größe eines Fußballfeldes frei. Die Motoren jaulten noch einmal auf, dann setzten alle drei Hubschrauber zur Landung an, während die Männer an den Maschinengewehren die Waffen entsicherten.
    Als die Maschinen am Boden aufsetzten, holte Jian das Plastikfläschchen mit seinen Schmerztabletten aus der Hosentasche und warf sich schnell drei Stück davon ein. Sein Adamsapfel tanzte auf und ab, als er die großen blauen Tabletten trocken herunterschluckte. Dann öffnete er seinen Sicherheitsgurt und stieg aus. Mit eingezogenem Kopf lief er ein paar Schritte, dann blieb er stehen. Hunderte schwer bewaffneter Soldaten standen dicht an dicht um ihn herum, ihre Reihen erstreckten sich bis zum Ende der Lichtung. Keiner sagte etwas. Alle Augen waren auf Jian gerichtet.
    Der spürte, dass sich auf seinem Rücken Schweiß bildete, als er sich unter den sehr jungen Männern umsah, die nicht wie Soldaten aussahen, sondern eher an die Besatzung eines Piratenschiffs erinnerten. Ihre Waffen bestanden aus Kalaschnikows verschiedener Typen, hauptsächlich chinesischen und russischen Maschinengewehren. Außer den Magazinen ihrer Gewehre trugen die meisten Handgranaten an ihren Munitionsgurten, verblichene rote Barette und die unterschiedlichsten militärischen Uniformteile sowie zerrissene T-Shirts, aber die meisten hatten nackte Oberkörper. Sie waren schlank bis dürr, und ihre flachen Bäuche zeugten von den Entbehrungen des Dschungellebens.
    Umständlich kletterte Xie aus dem Hubschrauber und blinzelte unsicher ins gleißende Sonnenlicht. Er blieb so dicht neben Jian stehen, dass ihre Schultern sich fast berührten. Selten hatte er sich so überfordert gefühlt. Er wusste nicht, was er davon halten sollte, von so vielen Soldaten umringt zu sein, die jede seiner Bewegungen beobachteten, wie Raubtiere, die den günstigsten Moment abwarteten, um sich auf ihr Opfer zu stürzen.
    «Was geht hier vor?», flüsterte er Jian auf Mandarin zu, während er wie gebannt in die feindseligen Gesichter blickte. «Jian!», setzte er nach, als der nicht reagierte. Am liebsten wäre er gleich wieder in den Hubschrauber gestiegen.
    Jian reagierte immer noch nicht. Mit stolz gewölbter Brust stand er da, die Arme gestreckt an die Seiten gelegt. Offenbar war er wild entschlossen, vor dieser seltsamen Truppe eine gute Figur zu machen.
    Plötzlich kam Bewegung

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