Der Weg ins Dunkel
Öffnung befand, durch die Tageslicht einfiel. Der Staub, der überall in der Luft lag, war in Bodennähe am dichtesten, sodass es dort am dunkelsten war und nach oben hin immer heller wurde.
Die umlaufenden Gänge bildeten neun Etagen und waren mit Holzgeländern gesichert. Überall standen große Metallwannen herum, andere wurden an Ketten auf und ab gezogen. Bear und Luca sahen jetzt auch Männer, einige Dutzend auf jeder Ebene, die das abgeschlagene Gestein in die Wannen schaufelten. Trotz Hitze und Staub arbeiteten sie stetig, wenn auch langsam.
«Unfassbar», murmelte Luca und drehte sich zu Bear um.
Sie starrte auf zwei Männer, die direkt vor ihnen am Boden des Minengewölbes arbeiteten. Beide sahen todkrank und völlig ausgehungert aus. Apathisch arbeiteten sie vor sich hin, schoben abgeschlagenes Gestein zusammen und häuften es auf eine bereitliegende Plane. Es schien, als müssten sie jeden Moment zusammenbrechen, und als einer sich zum Licht drehte, sah Luca, dass er dieselbe Deformation an Hals und Wange hatte wie der Tote vor der Mine. Blut lief ihm aus den Ohren, und vor Erschöpfung konnte er sich kaum noch bewegen. Er schien auch nichts wahrzunehmen und direkt durch Luca und Bear hindurchzusehen.
«Sieh dir bloß diese Männer an», flüsterte Luca. Die Bohrer, das Klirren der Ketten und das splitternde Gestein machten so viel Lärm, dass jemand anders als Bear, die direkt neben ihm stand, ihn auch nicht gehört hätte, wenn er lauter gesprochen hätte.
«Wo sind die Wachen?», fragte Bear mit dem Mund direkt an Lucas Ohr. «Ich kann keine sehen.»
Luca sah sich unter den Männern um, die am Boden arbeiteten, dann blickte er zu den anderen auf, die auf den neun höheren Ebenen beschäftigt waren. Jeder einzelne schien sich nur noch mechanisch zu bewegen. Sie schlurften mit Eimern ans Geländer, füllten die Wannen, zogen sich wieder zurück und verschwanden in einer Unzahl kleiner Schächte, die von den Gängen aus ins Innere des Vulkans führten. Nach einer Weile kamen sie wieder heraus, und alles begann von vorn.
«Ich kann auch keine Wachen sehen», sagte Luca. «Wo zum Teufel stecken sie? Es müssen doch welche da sein!»
«Vielleicht kommen sie nicht nach hier unten. Hier ist es am schlimmsten. Weiter oben sind bestimmt welche.»
Bear hatte kaum zu Ende gesprochen, als sie sah, dass ein Arbeiter keine drei Meter vor ihnen mit angezogenen Knien und gesenktem Kopf an die Minenwand gelehnt am Boden saß. Er schien vollkommen erschöpft zu sein und reglos mit der Felswand zu verschmelzen. Bear hatte ihn vorher nicht gesehen, obwohl sie so nah waren. Doch dann sah sie plötzlich noch mehr, die in der Dunkelheit kaum zu erkennen waren. Nur einzelne Gliedmaßen waren hier und da im Licht der wenigen Lampen zu erkennen, auch Männer, die mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden lagen.
Sie machte Luca darauf aufmerksam, und beide brauchten eine Weile, um zu begreifen, dass diese Männer tot waren. Sie waren von lauter Toten umgeben, die hier einfach so herumsaßen oder lagen, ohne dass irgendjemand von ihnen Notiz nahm.
Bears Magen krampfte sich zusammen. Von Schwefelgestank und Hitze war ihr ohnehin speiübel. An den zahllosen Kriegsschauplätzen Afrikas hatte sie viel Elend gesehen – aber etwas so Hoffnungsloses und Grauenvolles wie das hier noch nie.
«Hier können wir nicht bleiben, Luca», flüsterte sie und stieß ihn in die Seite. «Wir müssen machen, dass wir hier wegkommen.»
Luca nickte, zögerte aber. «Wir müssen die Männer fragen, ob sie Joshua gesehen haben. Irgendjemand hier weiß bestimmt, wo er steckt.»
«Sieh dir diese Männer an, Luca! Die wenigen, die noch leben, sind nur noch Schatten ihrer selbst und können kaum noch stehen. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass sie dir weiterhelfen können!»
«Dann lass es uns ein paar Ebenen weiter oben versuchen. Ich gebe nicht auf, bis ich eine Antwort habe.»
Bear packte ihn an der Schulter. «Wenn wir da raufgehen, erwischt man uns mit Sicherheit. Wir müssen hier weg, Luca! Möglichst, solange wir noch am Leben sind.»
«Tut mir leid, Bear, aber ich muss es versuchen.»
Sie sah ihn an. Sie hatte die Quelle des Feuer-Coltans gefunden und wollte die Mine so schnell wie möglich verlassen. Der Impuls war so stark, dass sie ihn kaum kontrollieren konnte. Außerdem wollte sie der Enge und den Toten entkommen. Sie schüttelte den Kopf und wandte sich zum Gehen, aber Luca bewegte sich in die andere Richtung und betrat das
Weitere Kostenlose Bücher