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Der Weg ins Dunkel

Der Weg ins Dunkel

Titel: Der Weg ins Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Woodhead
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Minengewölbe.
    Der Boden lag fast völlig im Dunkeln. Nur hier und da drang ein trüber Lichtstrahl aus der Deckenöffnung oder von den wenigen Lampen durch. Luca war von Kopf bis Fuß mit dem schwarzen Staub aus dem Tunnel und dem engen Schacht bedeckt, sodass man ihn kaum sehen konnte. Bear sah ihm kopfschüttelnd nach und war sich nicht sicher, was sie tun sollte.
    In einigen Metern Entfernung blieb Luca an einem mächtigen Stützpfeiler stehen und schien zu überlegen, wie er am besten daran hochklettern sollte. Bear fluchte leise. Dann trat sie selbst aus dem Schacht heraus und kletterte in eine Metallwanne. Geistesgegenwärtig folgte Luca ihr, als die Wanne auch schon hochgezogen wurde.
    Sie schwebten an der ersten Ebene vorbei, dann an der zweiten, und bückten sich, damit ihre Köpfe nicht über den Wannenrand ragten. Kurz bevor sie eine Ebene erreichten, konnten sie die Männer sehen, die sich dort jeweils aufhielten, und erst jetzt wurde ihnen klar, wie viele es waren, die in den umlaufenden Gängen und den dahinterliegenden Schächten arbeiteten. Stumpfsinnig verrichteten sie die Arbeiten, die ihnen zugewiesen waren, gruben, hämmerten oder schleppten Gestein. Es war ein unbeschreiblich trostloser Anblick. Außer ihrer Existenz hier im Dunkeln schienen all diese Männer kein Leben zu führen.
    Luca drückte Bears Arm, als sie die nächste Ebene passierten. Beide sprangen aus der Wanne und landeten krachend auf dem hölzernen Geländer. Sofort duckten sie sich und fürchteten, jemand hätte sie gesehen oder gehört, aber bei all dem Lärm und dem Kommen und Gehen der Arbeiter hatte niemand etwas gemerkt.
    «Halte dich von den Gängen fern», sagte Luca, packte Bear am Arm und zog sie in den erstbesten Schacht.
    Als sie ein Stück weit hineingegangen waren, kamen sie an eine rechtwinklige Biegung und kurz darauf an die nächste. Dann standen sie vor einem Arbeiter, der einen Meißel in den Fels hämmerte. Er bewegte sich langsam und hatte Mühe, den Meißel gerade anzusetzen. Bear berührte ihn an der Schulter. Als er sich zu ihr umdrehte, sah sie, dass er blutunterlaufene Augen und eine starke Schwellung am Hals hatte.
    «Avez-vous vu un blanc?»
, fragte sie. Haben Sie einen Weißen gesehen?
    Der Mann reagierte nicht, und sie versuchte es auf Hema und Suaheli. Doch der Mann starrte sie nur verständnislos an.
    «Komm, wir fragen jemand anders», sagte Luca und zog Bear mit sich fort.
    Sie gingen zurück zum Gewölbe, immer nach irgendwelchen Wachen Ausschau haltend, von denen aber nach wie vor nichts zu sehen war. Es hatte ganz den Anschein, als seien die Arbeiter sich selbst überlassen.
    Am Geländer angekommen, bestiegen sie wieder eine Wanne und ließen sich zwei Etagen höher ziehen. Als sie ausstiegen, merkten sie gleich, dass es hier nicht so heiß war. Als Nächstes fiel ihnen auf, dass die Schwellungen an den Wangen und Hälsen der Arbeiter nicht so groß waren. Die Männer waren auch wacher, reagierten auf Ansprache und verstanden, was Bear sagte. Das Ergebnis war trotzdem das gleiche. Keiner hatte einen Weißen gesehen oder auch nur von einem gehört.
    Irgendwann sagte Bear zu Luca: «Schluss jetzt! Wir sind schon viel zu lange hier.»
    «Noch einmal …»
    «Non! Assez!»
Nein, genug!
    «Wir müssen Joshua finden», insistierte Luca. «Er muss hier irgendwo sein.»
    Bear schüttelte den Kopf. «Es reicht, Luca! Wir sind hier in einem der wichtigsten Unternehmen der LRA . Es ist nur eine Frage der Zeit, wann sie uns erwischen.»
    «Bitte!» Luca nahm ihre Hand. «Einen fragen wir noch. Nur einen!»
    Bear schloss die Augen. Alles war so hoffnungslos. Was Luca vorhatte, war der pure Wahnsinn. In diesem Gewirr hier würden sie Joshua niemals finden.
    Sie gingen wieder auf das Zentralgewölbe zu. Als sie geduckt am Schachtausgang standen, merkte Bear plötzlich, dass jemand hinter ihnen stand. Sie drehte sich um und sah einen Minenarbeiter, der vorher nicht da gewesen war. In der Hand hielt er ein Stemmeisen und rührte sich nicht. Seine Augen waren genauso blutunterlaufen wie die der anderen Arbeiter.
    «Blanc»
, krächzte er. Weißer. Seine Stimme klang, als hätte er sie lange nicht benutzt. Dann zeigte er auf das Geländer an der gegenüberliegenden Seite des Gewölbes, zwei Etagen weiter oben.
    «Oui, un blanc»
, sagte Bear.
«Vous avez vu un blanc là-bas?»
Sie haben da drüben einen Weißen gesehen?
    Der Mann nickte. Dann blickte er zu der Öffnung im Deckengewölbe auf und hielt den

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