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Der Weg ins Dunkel

Der Weg ins Dunkel

Titel: Der Weg ins Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Woodhead
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er mir die Kniesehne durchtrennt. Der Bastard hat mich zum Krüppel gemacht.» Er sah Luca fragend an. «Aber dieses Mal schaffen wir es, oder?»
    Luca nickte. «Ja. Ich bringe dich nach Hause.»
    «Nach Hause», wiederholte Joshua und schien es immer noch nicht fassen zu können.
    «Ja. Aber nur, wenn wir jetzt wirklich gehen. Noch haben wir es nicht geschafft.»
    Joshua wandte sich an einen der Männer, die gerade zu ihnen gestoßen waren. Der Mann wickelte einen schmutzigen Lumpen aus, und heraus kam ein alter metallener Kompass mit fehlendem Glasdeckel und verblichener Windrose. Dazu eine Schachtel Streichhölzer und ein kleines Messer mit rauem Holzgriff, beides mit einem Stück Draht zusammengewickelt. Zuletzt kam eine zylindrische Pappschachtel mit chinesischen Schriftzeichen zum Vorschein. Dabei handelte es sich um den Zündsatz einer Leuchtkugel, den ein chinesischer Wachmann irgendwo in der Mine verloren hatte.
    «Unsere Fluchtutensilien», sagte Joshua mit Blick auf die dürftigen Habseligkeiten. Mehr hatten sie im Laufe von vier Monaten nicht in ihren Besitz bringen können.
    Der Mann reichte Joshua eine kleine Kalebasse mit Wasser, und der trank gierig daraus, ehe er sie an Luca weiterreichte.
    «Komm jetzt», sagte Luca und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. «Es ist höchste Zeit.»
    Die kleine Gruppe setzte sich in Bewegung. Einer der Minenarbeiter ging voran, Bear folgte ihm. Sie bewegten sich vorsichtig und hielten sich dicht an der behauenen Felskante, den Blick auf das diffuse Licht gerichtet, das vom Ende des Schachts aus dem Hauptgewölbe herüberschien. Je mehr sie sich dem zentralen Gewölbe näherten, desto lauter ertönten wieder das Klirren der Ketten und das metallen klackernde Auf und Ab der Transportwannen.
    «Wo zum Teufel sind die Wachen?», fragte Luca leise.
    «Sie haben zu viel Angst vor dem Feuer-Coltan, um hier runterzukommen», sagte Joshua gepresst. Es kostete ihn große Mühe, sich vorwärtszubewegen. «Sie haben uns hier eingesperrt. Nur ein paar Männer kommen ab und zu auf die oberste Etage und lassen Brot und Wasser für uns herunter. Aber alle paar Wochen kommt dieses Schwein, das sie Hauptmann nennen, und beordert alle zur nächstunteren Ebene.»
    «Wie kommt es dann, dass du immer noch hier oben bist?», fragte Luca. «Du musst doch schon Monate hier sein.»
    «Wir haben uns ein Versteck gegraben, deswegen sind wir die letzten drei Male verschont geblieben.»
    Joshua schluckte, um sich den Mund zu befeuchten, bevor er weitersprach. So viel hatte er seit langem nicht geredet.
    «Manchmal kommt sogar Mordecai hierher, um große Reden zu schwingen. Er spielt sich auf wie der Messias und sagt, wir müssen alle Ebenen durchlaufen, von ganz oben bis ganz unten, damit wir moralisch ‹gereinigt› werden, bevor sie uns wieder laufen lassen. Manche glauben ihm sogar, aber die meisten wissen, dass da unten …» Joshua senkte die Stimme, und sein Blick wurde hart. «Da unten erwartet uns nichts als der Tod.»
    «Was ist denn mit den Arbeitern hier los?», fragte Luca. «Sie scheinen todkrank zu sein.»
    «Alle bauen dieses neuartige Coltan ab. Aber wenn es freigelegt und der Hitze ausgesetzt wird, passiert etwas Fürchterliches. Alle, die damit in Berührung kommen, bekommen Tumore, die schneller wachsen als alle anderen Krebsgeschwüre, die ich je gesehen habe. Je größer die Hitze, desto schlimmer. Wer auf der untersten Ebene angekommen ist, hat nur noch etwa zwei Wochen, bis der Tumor ins Gehirn vordringt.»
    Bear und der Minenarbeiter, der voranging, erreichten den Ausgang zum Hauptgewölbe. Die anderen warteten im Verborgenen. Luca sah Bear auf die Knie gehen und nach Wachen Ausschau halten.
    Joshua schüttelte verbittert den Kopf. «Es ist wie ein makabres Karussell. Neue Arbeiter werden auf der obersten Ebene eingesetzt, die Toten aus der untersten weggetragen. Die Leichen werden einfach in den Fluss geworfen und mit der Strömung fortgetragen.»
    Er lehnte sich an die Schachtwand. Seine Brust hob und senkte sich vor Anstrengung. Luca sah, wie sein Schlüsselbein mit dem Atem auf und ab ging. Joshua war so dünn geworden, dass seine Knochen hervortraten, und so schwach, dass er kaum noch stehen konnte. Auch eine Seite seines Gesichts war geschwollen.
    «Ich weiß nicht mal, wofür sie das Zeug brauchen. Hier sterben Hunderte dafür, ohne zu wissen, warum.»
    Luca stützte ihn mit der Schulter und sagte: «Wir wissen es auch nicht. Wir wissen nur, dass es

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