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Der Weg ins Glueck

Titel: Der Weg ins Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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Zeit, denn mit achtzig kann jederzeit Schluss sein. So, lass dir nur Zeit mit dem Anziehen, meine Liebe, ich geh solange runter und seh mal nach diesen Lumpen. Ein hübsches Kind hast du da. Ist das dein Bruder?«
    »Nein, er war ein kleines Kriegsbaby, um das ich mich gekümmert habe, weil seine Mutter starb und sein Vater in Übersee ist«, antwortete Rilla kleinlaut.
    »Ein Kriegsbaby! Soso! Ich mach mich lieber davon, eh’ er aufwacht, sonst fängt er noch an zu schreien. Kinder mögen mich nicht, das war immer schon so. Ich kann mich an kein Kind erinnern, das je von selbst auf mich zugegangen wäre. Hab auch nie eigene Kinder gehabt. Amelia war meine Stieftochter. Immerhin, das hat mir 'ne Menge Kummer erspart. Wenn Kinder mich nicht mögen, dann mag ich sie auch nicht, ganz einfach. Aber das da ist wirklich ein hübsches Kind.« Jims hielt das für den richtigen Augenblick aufzuwachen. Er öffnete seine großen braunen Augen und schaute Mrs Matilda Pitman furchtlos an. Dann setzte er sich auf, sodass man seine netten Grübchen sah, und sagte ganz ernst zu Rilla: »Nette Frau, Willa, nette Frau.«
    Mrs Matilda Pitman lächelte. Auch wer achtzig ist und darüber, ist anfällig für Komplimente.
    »Kinder und Narren sagen die Wahrheit, habe ich mal gehört«, sagte sie. »Als ich jung war, habe ich oft Komplimente bekommen, aber das gibt sich, wenn man erst mal so alt ist wie ich. Das letzte ist schon Jahre her. Das tut gut. Aber einen Kuss gibst du mir bestimmt nicht, was, du kleiner Schlingel?« Da passierte etwas Erstaunliches. Jims war kein Kind, das seine Gefühle überschwänglich zum Ausdruck bringt, und war sogar bei den Ingleside-Leuten mit Küsschengeben sparsam. Aber jetzt stand er ohne ein Wort im Bett auf, nur bekleidet mit seinem Hemdchen, lief zum Fußende, schlang seine Ärmchen um Mrs Matilda Pitmans Hals und umarmte sie heftig, begleitet von mehreren herzlichen Schmätzern.
    »Aber Jims!«, rief Rilla, entsetzt über seine Ungezogenheit. »Du redest ihm nicht drein!«, befahl Mrs Matilda Pitman und rückte ihre Haube zurecht. »Himmel, ich möchte den sehen, der keine Angst vor mir hat! Jeder hat Angst, du auch, obwohl du versuchst das nicht zu zeigen. Nur warum? Bei Robert und Amelia ist das was anderes, denen mache ich absichtlich Angst. Aber alle Leute haben Angst vor mir, da kann ich noch so höflich sein zu ihnen. Hast du vor, das Kind zu behalten?«
    »Leider nicht. Sein Vater kommt bald nach Hause zurück.«
    »Ist er ein guter Mensch - der Vater, meine ich?«
    »Schon - er ist nett und freundlich - aber er ist arm und ich fürchte, daran wird sich auch nichts ändern«, stammelte Rilla. »Verstehe, ein fauler Nichtsnutz. Nun, mal sehen - mal sehen. Ich habe eine Idee! Eine gute Idee, und die wird Robert und Amelia ganz schön wurmen. Das ist überhaupt der größte Vorteil dabei, auch wenn ich, zugegeben, dieses Kind ganz gern mag, weil es keine Angst hat vor mir. Für dieses Kind lohnt sich die Mühe. So, du ziehst dich jetzt an, wie ich schon sagte, und kommst runter, wenn du so weit bist.«
    Rilla taten noch alle Knochen weh von dem Sturz und dem langen Marsch am Abend vorher, aber sie brauchte nicht lang, bis sie sich und Jims angezogen hatte. Als sie nach unten in die Küche kam, fand sie ein dampfendes Frühstück auf dem Tisch vor. Mr Chapley war nirgends in Sicht, und Mrs Chapley war dabei, mit Schmollmiene Brot zu schneiden. Mrs Matilda Pitman saß währenddessen in einem Sessel und strickte einen grauen Armeestrumpf. Sie hatte immer noch sowohl ihre Haube als auch ihren triumphierenden Blick aufgesetzt.
    »Fangt an, ihr Lieben, und lasst es euch schmecken«, sagte sie.
    »Ich habe keinen Hunger«, sagte Rilla mit fast flehendem Blick. »Ich glaube, ich kann nichts essen. Außerdem wird es Zeit für mich, zum Bahnhof zu laufen. Der Morgenzug wird bald da sein. Bitte entschuldigen Sie mich und lassen Sie uns gehen. Ich werde ein Butterbrot für Jims mitnehmen.«
    Mrs Matilda Pitman tat, als wollte sie Rilla mit der Stricknadel drohen. »Du setzt dich hin und frühstückst«, sagte sie. »Das ist ein Befehl von Mrs Matilda Pitman. Alle gehorchen Mrs Mathilda Pitman, sogar Robert und Amelia. Also gehorchst du ihr auch.«
    Rilla gehorchte. Sie setzte sich hin und schaffte es, unter Mrs Matilda Pitmans hypnotisierendem Blick ein leidliches Frühstück zu sich zu nehmen. Die eingeschüchterte Amelia sprach kein Wort; auch Mrs Matilda Pitman sagte nichts, sondern strickte wie wild und

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