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Der Weg ins Glueck

Titel: Der Weg ins Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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Schwarz gekleidet, hatte schneeweißes Haar, ein totenbleiches Gesicht und blitzende, kohlrabenschwarze Augen. Sie sah genauso erstaunt aus wie die anderen beiden, aber, was Rilla auffiel, sie machte kein böses Gesicht.
    Rilla hatte außerdem das ungute Gefühl, dass hier etwas nicht stimmte. Dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Dann sagte der Mann, unfreundlicher noch als zuvor: »Raus mit der Sprache! Wer seid ihr und was habt ihr hier zu suchen?«
    Rilla stützte sich auf einen Ellbogen auf und kam sich entsetzlich hilflos und dumm vor. Das sah man ihr auch an. Die alte schwarz-weiße Dame im Hintergrund fing an zu kichern. Ein Traum scheint das nicht zu sein, jedenfalls ist die echt, dachte Rilla. Verwirrt fragte sie: »Ist das denn nicht Theodore Brewsters Haus?«
    »Nein«, sagte die große Frau, die jetzt zum ersten Mal den Mund aufmachte. »Dieses Haus gehört uns. Wir haben es letzten Herbst von den Brewsters gekauft. Sie sind nach Greenvale gezogen. Unser Name ist Chapley.«
    Die arme Rilla fiel vor Schreck auf ihr Kissen zurück. »Ich bitte um Verzeihung«, sagte sie. »Ich - ich - dachte, hier wohnen die Brewsters. Mrs Brewster ist eine Freundin von mir. Ich heiße Rilla Blythe. Ich bin Dr. Blythes Tochter aus Gien St. Mary. Ich -ich war auf dem Weg in die Stadt mit meinem - meinem - mit diesem kleinen Jungen hier - und dann fiel er aus dem Zug -und ich bin ihm hinterhergesprungen - und keiner hat es bemerkt. Ich wusste, dass wir den Rückweg am Abend nicht schaffen, und es kam ein Sturm auf. Deswegen bin ich hierher gekommen, und als ich niemanden antraf, da - da - sind wir einfach durchs Fenster geklettert und - und - haben es uns gemütlich gemacht.«
    »Den Eindruck habe ich auch!«, sagte die Frau bissig.
    »Sehr glaubhaft, was du da sagst!«, sagte der Mann.
    »Wir sind doch nicht von gestern!«, sagte die Frau wieder. Madame Schwarz-Weiß sagte gar nichts; aber als die anderen beiden fertig waren mit ihren netten Sprüchen, bekam sie einen Lachkrampf, schüttelte heftig den Kopf und fuchtelte wild mit den Händen in der Luft herum.
    Rilla fühlte sich von dem abscheulichen Benehmen der Chapleys getroffen. Sie gewann ihre Fassung zurück und wurde wütend. Sie setzte sich im Bett auf und sagte so hochmütig wie nur möglich: »Ich weiß zwar nicht, woher Sie stammen, aber man hat Ihnen offensichtlich höchst absonderliche Manieren beigebracht. Wenn Sie vielleicht die Güte haben und mein Zimmer verlassen - äh, dieses Zimmer, meine ich -, damit ich aufstehen und mich anziehen kann, dann werde ich Ihre Gastfreundschaft nicht länger strapazieren. Ich werde Sie reichlich entschädigen für Kost und Logis.«
    Die schwarz-weiße Erscheinung tat so, als klatschte sie in die Hände, machte dabei aber nicht das geringste Geräusch. Mr Chapley war möglicherweise eingeschüchtert durch Rillas Ton oder vielleicht besänftigt wegen der Aussicht auf Bezahlung; auf jeden Fall sagte er nun etwas höflicher: »Nun, wenn Sie bezahlen, dann ist das in Ordnung.«
    »Das wird sie nicht tun!«, sagte Madame Schwarz-Weiß in überraschend gebieterischem Ton. »Wenn du schon kein Schamgefühl hast, Robert Chapley, dann hast du zumindest eine Schwiegermutter, die sich für dich schämen kann. In einem Haus, in dem Mrs Matilda Pitman lebt, wird keinem Fremden für Kost und Logis Geld abgeknöpft. Merk dir das! Auch wenn ich schon bessere Tage gesehen habe, so viel Anstand habe ich doch noch. Ich wusste, dass du ein Geizkragen bist, als Amelia dich geheiratet hat. Und du hast sie genauso schlecht gemacht. Aber Mrs Matilda Pitman hat hier das Sagen. Also, Robert Chapley, sieh zu, dass du hier rauskommst, damit dieses Mädchen sich anziehen kann. Und du, Amelia, du gehst jetzt runter und machst Frühstück für sie!«
    Die beiden gehorchten der kleinen Frau mit einer solchen Unterwürfigkeit, dass Rilla aus dem Staunen nicht herauskam. Ohne jeden Protest zogen sie sich zurück. Als sich die Tür hinter ihnen schloss, bog sich Mrs Matilda Pitman vor Lachen.
    »Ist das nicht lustig?«, sagte sie. »Meistens lasse ich die Zügel locker, aber hin und wieder muss ich sie auch anziehen, aber dann mit einem Ruck. Sie trauen sich nicht mir zu widersprechen, weil ich ganz schön viel Geld habe, und sie haben Angst, ich könnte ihnen sonst nicht alles hinterlassen. Werd ich auch nicht. Etwas lasse ich ihnen, aber nicht alles, bloß um sie zu ärgern. Ich hab mir noch nicht überlegt, wo ich den Rest lasse, aber langsam wird’s

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