Der Weg ins Glueck
vor lauter Freude herumspringen! Für diesen Augenblick haben sich die langen trostlosen Jahre gelohnt! Dafür würden sich diese Jahre sogar noch einmal lohnen. Susan, lass uns die Flagge hissen! Und wir müssen in ganz Gien herumtelefonieren, um es den Leuten zu sagen!«
»Dürfen wir jetzt so viel Zucker essen, wie wir wollen?«, fragte Jims gespannt.
Es war ein unvergesslicher Nachmittag. Als sich die Neuigkeit verbreitete, liefen die Leute ganz aufgeregt im Dorf herum und stürmten nach Ingleside herauf. Die Merediths kamen und blieben zum Abendessen, alles redete und niemand hörte zu. Cousine Sophia versuchte mit ihrer Warnung durchzudringen, dass man sich auf Deutschland und Österreich nicht verlassen könne und dass alles Teil eines Komplotts sei, aber niemand beachtete sie.
»Dieser Sonntag macht den Sonntag im März wieder wett«, sagte Susan.
»Ich frage mich«, sagte Gertrude nachdenklich zu Rilla, »ob uns nicht alles plötzlich langweilig und fade vorkommt, wenn wirklich Frieden ist. Nachdem wir vier Jahre lang mit Angst und Schrecken, mit furchtbaren Rückschlägen und überraschenden Siegen leben mussten, werden uns dann nicht geringere Ereignisse gewöhnlich und uninteressant erscheinen? Wie seltsam und beruhigend und öde wird es sein, wenn man nicht mehr jeden Tag voller Angst und Sorge auf die Post warten muss.«
»Ich denke, eine Weile werden wir schon noch bangen müssen«, sagte Rilla. »Der Frieden wird nicht und kann nicht so schnell kommen, ein paar Wochen werden noch vergehen. In dieser Zeit kann noch Schlimmes passieren. Meine Begeisterung hat sich gelegt. Wir haben den Sieg erreicht - aber was für einen Preis haben wir dafür bezahlen müssen!«
»Für die Freiheit war der Preis nicht zu hoch«, sagte Gertrude ruhig. »Oder was meinst du, Rilla?«
»Nein«, sagte Rilla leise. Dabei sah sie ein kleines weißes Kreuz auf einem Schlachtfeld in Frankreich vor Augen. »Nein, nicht, wenn wir, die wir am Leben geblieben sind, beweisen, dass wir die Freiheit zu schätzen wissen: wenn wir »die Treue haltern.«
»Wir werden die Treue halten«, sagte Gertrude. Plötzlich stand sie auf. Alles am Tisch verstummte und in dieser Stille rezitierte Gertrude Walters berühmtes Gedicht Der Pfeifer. Als sie geendet hatte, stand Mr Meredith auf und hob sein Glas.
»Lasst uns auf die stille Armee trinken«, sagte er, »auf die Jungen, die dem Ruf des Pfeifers folgten. Für unsere Zukunft haben sie ihr Leben gegeben. Ihnen gebührt der Sieg!«
Susans Flitterwochen
Anfang November verließ Jims Ingleside. Rilla schaute ihm nach, mit Tränen in den Augen, aber mit gutem Gewissen. Mrs Jim Anderson Nr. 2 war eine richtig nette kleine Frau. Man musste sich fast wundern, dass Mr Anderson das Glück hatte, an so eine Frau geraten zu sein! Sie hatte ein rosiges Gesicht und blaue Augen und war rund und gesund wie das Blatt einer Geranie. Rilla sah auf den ersten Blick, dass Jims bei ihr in guten Händen war.
»Ich mag Kinder gern, liebes Fräulein«, sagte sie herzlich. »Ich bin Kinder gewöhnt, ich habe sechs jüngere Geschwister gehabt. Jims ist ein liebes Kind, du hast die reinsten Wunder vollbracht, so ein gesundes, hübsches Kerlchen aus ihm zu machen. Ich werde so gut zu ihm sein, als wäre er mein eigener Sohn, liebes Fräulein. Und ich werde Jim zeigen, wo’s langgeht. Er ist ein guter Arbeiter, er braucht nur jemanden, der ihn bei der Stange hält und der sein Geld verwaltet. Wir haben eine kleine Farm am Ortsende gepachtet, dort wollen wir uns niederlassen. Jim wollte in England bleiben, aber ich habe Nein gesagt. Es war schon immer mein Traum, ein neues Land auszuprobieren, und ich hab immer gedacht, Kanada könnte mir gefallen.«
»Ich bin so froh, dass Sie in unserer Nähe wohnen werden. Da darf Jims uns doch öfter besuchen kommen, ja? Ich habe ihn so lieb!«
»Das glaube ich, liebes Fräulein, ich habe auch noch nie so ein nettes Kind gesehen. Wir, Jim und ich, wir wissen, wie viel du für ihn getan hast, da werden wir uns bestimmt nicht undankbar zeigen. Er kann herkommen, wann immer du willst, und ich würde mich freuen, wenn du mir bei seiner Erziehung ab und zu einen guten Rat geben könntest. Er ist ja, finde ich, am ehesten dein Baby, und ich werde dafür sorgen, dass du deinen gerechten Anteil an ihm bekommst.«
So also ging Jims fort - mitsamt der Suppenterrine, allerdings nicht darin. Dann kam die Nachricht vom Waffenstillstand und da stand selbst Gien St. Mary vor Freude
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