Der Weg Nach Tanelorn
für die allerletzte Tat«, erklärte das Kind. »Die Tat, die euch von dem Fluch befreien wird.«
»Frei von dem Fluch?«
»Freiheit, Erekose! Freiheit für den Ewigen Helden und für alle, denen er in all der langen Zeit gedient hat.«
Hoffnung leuchtete in Erekoses Augen auf.
»Aber sie muss erst noch verdient werden«, mahnte der Geist des Runenstabs.
»Wie kann ich sie mir verdienen?«
»Ihr werdet es erfahren. Jetzt – seht!«
Das Kind deutete mit dem Stab auf die Statue Elrics.
Und ihre Blicke folgten ihm.
3. Die Tode der Nichtsterbenden
Sie beobachteten, wie eine der Statuen mit leerem Gesicht und steifen Beinen von ihrem Podest stieg; und wie ihr Gesicht allmählich lebendig wurde (obgleich seine Farbe kreideweiß blieb); wie ihre Rüstung sich schwarz färbte; und schließlich ein echter Mensch vor ihnen stand, der sie jedoch nicht sah.
Die Szenerie um ihn hatte sich völlig verwandelt. Falkenmond spürte, dass etwas in ihm ihn immer näher zu jenem zog, der eine Statue gewesen war. Es war, als berührten sich ihre Gesichter. Doch auch jetzt war der andere sich Falkenmonds Gegenwart nicht bewusst.
Und dann blickte Falkenmond aus Elrics Augen. Falkenmond war Elric. Erekose war Elric.
Er zerrte das Schwarze Schwert aus der Brust seines besten Freundes. Er schluchzte, als er es herausholte. Und endlich hatte er es frei und schleuderte es von sich. Es landete mit einem seltsam gedämpften Laut. Er sah, wie das Schwert sich bewegte, wie es auf ihn zukam. Und dann hielt es an. Aber es beobachtete ihn.
Er setzte ein großes Horn an seine Lippen und holte tief Atem. Er hatte jetzt die Kraft, das Horn zu blasen, während er zuvor zu schwach dazu gewesen war. Die Kraft eines anderen erfüllte ihn.
Er blies einen Ton auf dem Horn, es war ein gewaltiger schmetternder Laut. Und dann herrschte Schweigen auf der steinernen Ebene. Schweigen wartete auf den hohen und fernen Bergen.
Ein Schatten bildete sich am Himmel. Ein riesiger Schatten war es, und nun kein Schatten mehr, sondern Umrisse, die sich bald ausfüllten – und zur Titanenhand wurden, die eine Waage hielt – eine Waage, deren Schalen heftig schwankten. Doch allmählich beruhigte sich ihre Bewegung, bis die beiden Schalen ihr Gleichgewicht hielten. Dieser Anblick erleichterte seinen Kummer ein wenig. Er ließ das Horn fallen.
»Das ist schon etwas«, hörte er sich selbst sagen. »Und wenn es nur eine Illusion ist, ist sie zumindest beruhigend.«
Doch nun, als er sich umdrehte, bemerkte er, dass das Schwert sich von selbst in die Luft gehoben hatte. Es bedrohte ihn.
»STURMBRINGER!«
Die Klinge schnellte in seine Brust, drang in sein Herz – und trank seine Seele. Tränen strömten aus seinen Augen, während das Schwert saugte. Er wusste, dass ein Teil seines Selbst nun nie mehr Frieden finden würde.
Er starb.
Er löste sich aus dem gefallenen Leib und war wieder Falkenmond. Er war wieder Erekose …
Die beiden Aspekte des gleichen Wesens sahen zu, wie das Schwert sich aus dem Leichnam des letzten der Strahlenden Kaiser zurückzog. Sie sahen zu, wie das Schwert seine Form veränderte (obgleich ein Hauch der Klinge blieb und menschliche Proportionen annahm, während sie über dem Besiegten stand).
Das neugeformte Wesen war das gleiche, das Falkenmond auf der Silberbrücke und auf der Insel gesehen hatte. Es lächelte.
»Lebe wohl, Freund!« rief es. »Ich war tausendmal schlechter als du!«
Und dann tauchte es in den Himmel. Mit einem boshaften Lachen, das keine Spur von Güte kannte, verhöhnte es das kosmische Gleichgewicht, seinen Erzfeind.
Dann war es verschwunden, das Bild war verschwunden, und die Statue des Prinzen von Melnibone stand wieder auf ihrem Podest.
Falkenmond keuchte, als wäre er am Ertrinken gewesen. Sein Herz klopfte wild.
Er sah Oladahns Gesicht zucken, und er sah den Schock in seinen Augen. Er sah Erekoses Stirnrunzeln, und er sah Orland Fank sich das Kinn reiben. Er sah das friedliche Gesicht des Kindes. Er sah John ap-Rhyss, Emshon von Ariso und Brut von Lashmar, und als er sie näher betrachtete, stellte er fest, dass sie an dem, was er soeben miterlebt hatte – wenn es ihnen überhaupt bewusst geworden war – nichts Beunruhigendes gefunden hatten.
»Dann stimmt es also«, sagte Erekose mit seiner tiefen Stimme. »Dieses – Wesen und das Schwert sind ein und dasselbe.«
»Oft«, sagte das Kind. »Aber manchmal ergreift nicht sein ganzer Geist Besitz von dem Schwert. Kanajana war nicht
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