Der Weg Nach Tanelorn
sie mehr begeistern können, als Graf Brass einer solchen Tortur und seinen Freund solchem Leid ausgesetzt zu sehen.
Falkenmond wurde klar, dass sie hier in einem Ritual gefangen waren – einem Ritual, das man diesen Maskenträgern als Belohnung für ihre Treue zu den finsteren Lords des Dunklen Imperiums versprochen hatte.
Wohin würde dieses Ritual führen?
Er begann es zu ahnen.
Graf Brass rollte sich vor unerträglicher Qual über den Boden, dass er fast über den Rand der Zikkurat fiel. Doch jedes Mal, wenn er ihm zu nahe kam, schob ihn etwas zurück in die Mitte. Die blaue Flamme zerrte an seinen Nerven. Seine Schreie wurden lauter und lauter. Der ungeheure Schmerz raubte ihm jede Würde.
Falkenmond liefen die Tränen über das Gesicht, als er Kalan und Taragorm anflehte, dem grausamen Spiel ein Ende zu machen.
. Endlich hörten sie damit auf. Graf Brass erhob sich, am ganzen Körper bebend. Die blaue Flamme wurde wieder zu weißem Licht, bis schließlich auch das schwand. Graf Brass’ Gesicht war angespannt, seine Lippen blutig gebissen, und aus seinen Augen leuchtete das Grauen.
»Seid Ihr bereit, Euch selbst zu töten, Falkenmond, um die Qualen Eures Freundes zu beenden?« klang Taragorms Stimme höhnisch neben ihm. »Würdet Ihr es tun?«
»Das also ist die Alternative. Zeigte Euer Blick in Raum und Zeit, dass Ihr ans Ziel gelangt, wenn ich mich selbst morde?«
»Es erhöht unsere Chancen. Am besten wäre es natürlich, wenn sich Graf Brass überreden ließe, Euch das Leben zu nehmen, aber wenn nicht …« Taragorm zuckte die Schultern. »Euer Selbstmord dürfte das Zweitbeste sein.«
Falkenmond blickte auf Graf Brass. Einen Moment trafen sich ihre Augen, und er sah, wie schmerzerfüllt die des anderen waren. Deshalb nickte er. »Ich werde es tun. Aber zuerst müsst Ihr Graf Brass freigeben.«
»Euer eigener Tod wird Graf Brass die Freiheit bringen«, rief Kalan von oben aus der Pyramide. »Seid dessen versichert.«
»Ich traue Euch nicht«, brummte Falkenmond. .
Die Menschen in den Tiermasken starrten zu ihm herauf. Sie hielten den Atem an, als sie darauf warteten, dass ihr Feind sich das Leben nähme.
»Genügt Euch das, als Beweis unserer Ehrlichkeit?« Das weiße Licht schwand nun auch um Falkenmond. Taragorm nahm dem Krieger neben ihm Falkenmonds Schwert ab und gab es seinem Besitzer zurück. »Hier. Jetzt könnt Ihr Euch selbst oder mich töten. Tötet Ihr jedoch mich, werden Graf Brass’ Qualen nie enden. Tötet Ihr Euch, hören sie sofort auf.«
Falkenmond fuhr mit der Zunge über die trockenen Lippen. Er schaute von Graf Brass zu Taragorm, dann zu Kalan und schließlich hinunter auf die blutgierige Menge. Sich zum Vergnügen dieser degenerierten, perversen Meute zu töten, erfüllte ihn mit Abscheu. Aber es war der einzige Weg, Graf Brass zu retten. Was aber wurde aus dem Rest der Welt? Er war zu benommen, darüber nachzudenken, sich die Konsequenzen auszumalen.
Langsam drehte er das Schwert in seiner Hand, bis der Knauf auf dem Boden ruhte und die Spitze unter dem Brustpanzer an seine Haut drückte.
»Ihr werdet zugrunde gehen«, rief Falkenmond, während er erbittert die erwartungsvolle Menge betrachtete, »ob ich nun lebe oder sterbe. Ihr werdet nicht überleben, weil eure Seelen verrottet sind. Ihr wurdet schon einmal vernichtet, weil ihr euch gegeneinander, statt gegen die gemeinsame Gefahr wandtet, die euch bedrohte. Ihr kämpftet Tierorden gegen Tierorden, als wir Londra angriffen. Ohne eure Hilfe hätten wir es nie geschafft.«
»Schweigt!« schrie Kalan aus seiner Pyramide. »Tut, wozu Ihr Euch einverstanden erklärt habt, Falkenmond, oder Graf Brass wird wieder zu tanzen und winseln beginnen.«
Doch da erklang Graf Brass’ tiefe Stimme.
»Nein!« rief er.
»Wenn Falkenmond sein Versprechen zurücknimmt, Graf Brass, werden die Schmerzen Euch zerfressen«, wandte Taragorm sich an ihn, und seine Stimme klang, als spreche er mit einem Kind. »Nein«, erklärte Graf Brass. »Ich werde keine Schmerzen mehr erleiden.«
»Ihr wollt Euch ebenfalls töten?«
»Mein Leben bedeutet mir jetzt nur noch wenig. Falkenmonds wegen litt ich so. Wenn er schon sterben muss, dann gewährt mir das Vergnügen, ihn in den Tod zu schicken. Das wäre ja ohnehin, was ihr von Anfang an von mir wolltet. Ich sehe nun ein, dass ich viel zu viel Widerwärtigkeiten auf mich genommen habe, nur um einen zu schützen, der wahrhaftig mein Feind ist. Ja – lasst mich ihn töten. Dann werde auch
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