Der Weg Nach Tanelorn
ganzen Leib mit pelzähnlichem, rotem Haar bedeckt. Er behauptete, von den Riesen der Bulgarberge abzustammen (die, meines Wissens, noch nie jemandem untergekommen sind). Ein ausgezeichneter Bogenschütze war er.«
»Ich lernte viele ausgezeichnete Bogenschützen kennen, unter ihnen Rackhir, den Roten, der vielleicht der beste Bogenschütze des ganzen Multiversums ist, doch nie einen namens Oladahn. War er ein guter Freund von Euch?«
»Lange Zeit mein engster.«
»Vielleicht trug ich diesen Namen?« murmelte Jhary-a-Conel überlegend mit zusammengezogenen Brauen. »Ich nannte natürlich viele Namen mein eigen. Irgendwie ist mir, als müsse ich ihn kennen. Genau wie Euch zweifellos die Namen Corum oder Urlik vertraut sind.«
»Urlik?« Falkenmond spürte, wie er erblasste. »Was wisst Ihr über diesen Namen?«
»Es ist Eurer. Das heißt, einer zumindest, genau wie Corum. Obgleich Corum der Rasse nach kein Mensch war und Ihr Euch deshalb vermutlich nicht so leicht an ihn erinnern könnt.«
»Ihr sprecht so selbstverständlich von Inkarnationen! Wollt Ihr wahrhaftig behaupten, Ihr könnt Euch an vergangene Leben so leicht wie an vergangene Abenteuer erinnern?«
»An manche, doch durchaus nicht an alle. Und das ist auch gut so. In einer anderen Inkarnation entsinne ich mich möglicherweise gerade an diese nicht mehr. Obwohl, wie ich bemerke, sich in diesem Fall mein Name nicht geändert hat.«
Er nickte und lachte. »Meine Erinnerungen kommen und gehen – nicht anders als Eure. Das ist unser Glück.«
»Ihr sprecht in Rätseln, Freund Jhary.«
»Das sagt Ihr oft.« Wieder zuckte Jhary die Schultern: »Doch dieses gegenwärtige Abenteuer erscheint mir ein wenig anders zu sein, das muss ich zugeben. Ich befinde mich zurzeit in einer recht ungewöhnlichen Lage. Ständig werde ich, scheinbar aufs Geratewohl, durch die Dimensionen gewirbelt. Das ist Rissen und Verzerrungen des Kontinuums zuzuschreiben, zweifellos herbeigeführt durch irgendeinen unüberlegten oder ungeschickten Zauber. Und dann kommt natürlich das Interesse ins Spiel, das die Chaoslords immer sofort zeigen, wenn sich ihnen solche Gelegenheiten bieten. Ich bin ziemlich überzeugt, dass sie auch hier mitmischen.«
»Die Chaoslords? Wer sind sie?«
»Oh – das ist etwas, das Ihr selbst feststellen müsst, wenn Ihr es noch nicht wisst. Manche meinen, sie leben am Ende der Zeit, und ihre Versuche, das Universum nach ihren Vorstellungen zu manipulieren, seien der Tatsache zuzuschreiben, dass ihre eigene Welt dem Untergang nahe ist. Aber das ist, meines Erachtens, eine zu engstirnige Ansicht. Andere glauben, dass sie in Wirklichkeit eigentlich gar nicht existieren, sondern periodisch durch die Überzeugung der Menschen heraufbeschworen werden.«
»Seid Ihr selbst ein Zauberer, Master Jhary?« fragte Katinka van Bak und zügelte ihr Pferd ein wenig, um neben den beiden herzureiten.
»Nein, das würde ich nicht sagen.«
»Dann zumindest ein Philosoph.«
»Nur meine Erfahrung macht mich vielleicht dazu.«
Aber Jhary hatte jetzt genug von diesem Gesprächsthema und weigerte sich, weiter darüber zu sprechen.
»Meine einzige Erfahrung der Art, die Ihr angedeutet habt«, murmelte Falkenmond, »war mit dem Runenstab. Könnte er vielleicht etwas mit den Geschehnissen in den Bulgarbergen zu tun haben?«
»Der Runenstab? Vielleicht.«
Die große Stadt Pescht lag unter einer schweren Schneedecke. Ihre Häuser aus stabilem, weißem, zum Teil kunstvoll gehauenem Stein, hatten den Belagerungen und der Eroberung durch das Dunkle Imperium getrotzt. Und so sah die Stadt auch jetzt nicht viel anders aus als vor der Zeit, da Granbretanien Mord und Krieg durch Europa trug. Der Schein des Vollmonds ließ die Schneekristalle glitzern, als sie des Nachts in Pescht einritten, und so sah es aus, als brenne die ganze Stadt in einem weißen Feuer.
Sie kamen erst nach Mitternacht am Stadttor an. Es kostete sie große Mühe, den Wächter aufzuwecken, der sie erst, nachdem sie ausführlich erklärt hatten, was sie in der Stadt wollten, mürrisch und brummelnd einließ. Durch breite, verlassene Straßen ritten sie auf dem Weg zum Palast Prinz Karls von Pescht. Der Prinz hatte Katinka van Bak einst den Hof gemacht und sie gebeten, seine Frau zu werden. Obwohl sie drei Jahre liiert gewesen waren, hatte die Kriegerin sich doch nicht entschließen können, zu heiraten. So jedenfalls erzählte Katinka van Bak es Falkenmond. Jetzt hatte der Prinz eine Prinzessin aus
Weitere Kostenlose Bücher