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Der Weg nach Xanadu

Der Weg nach Xanadu

Titel: Der Weg nach Xanadu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilfried Steiner
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sentimentales Wort, es gibt kein
Wir.
    Wappler, hörte ich jemanden rufen, feiges
Aas, blickte nach oben und sah gerade noch, wie mein Elf seine Flügel als
Peitschen durch die Luft schnalzen ließ, ehe er hinter einer Hügelkuppe
verschwand, rittlings auf dem fetten Wolkentier.
    »Ich weiß nicht«, sagte ich,
»Glauben ist nie meine Sache gewesen. Früher hätte ich noch stolz verkündet,
Atheist zu sein, heute seh ich mich eher als skeptischen Heiden.«
    »Sie haben mich«, sagte Anna,
»falsch verstanden. Ich meinte die Träume.«
    Das Licht fuhr ihr durch die
Haare, mischte sich unter das Schwarz. Eierlikörshampoo, dachte ich, ich glaube
an Eierlikörshampoo.
    »Eine Fixierung«, sagte ich,
und bezog mich schon wieder auf etwas anderes, »eine ganz und gar unerwartete
Fixierung auf einen Punkt. Ein Zahir.«
    »Ein was?«
    »Borges«, sagte ich, »erzählt
die Geschichte einer verhexten Münze, die denjenigen, der sie besitzt, dazu
verdammt, an nichts anderes zu denken als an diese Münze, den Zahir.«
    »Und das Zimmer ist Ihr Zahir?
Sie sehen sich also als Opfer einer Verwünschung?«
    »Nein, natürlich nicht. Aber
meine ganze Welt ist zusammengeschrumpft auf einen Punkt. Der leuchtet zwar
hell, aber er bleibt ein Punkt.«
    »In meiner Welt«, sagte Anna,
»ist es genau umgekehrt. Was auf einen Punkt zusammenschrumpft, wie Sie sagen,
kann nicht mehr leuchten.«
    Aha. Also lief es doch nicht so
grandios mit Martin. Das Individuum als Opfer der Symbiose. Lichtlose
Zweisamkeit. Time for a change. Statt einer Antwort schaute ich erwartungsvoll.
    »Schwarze Löcher«, sagte Anna,
»Materie, die bei der Explosion sehr massereicher Sterne in deren Kern in sich
zusammenstürzt. Der totale Kollaps, die Gravitation als einziges Gesetz. Am
Ende ein Punkt von unendlicher Dichte. Da gibt es kein Leuchten, weil der
Schwerkraft selbst das Licht nicht entkommt.«
    Der Kellner trug ein Tablett
mit Marillenschnapsgläsern an uns vorbei, der Duft stieg mir in die Nase, und
ich fühlte, wie etwas sanft meinen Unterarm streifte.
     
    »Und wenn man«, sagte ich nach
einer Pause, in der ich das Odeur meiner kleinen Niederlage mit Zigarettenrauch
verblies, »sich einem solchen schwarzen Loch näherte? Unverzagt forschend,
gewissermaßen?«
    »Würde man«, sagte Anna mit
einem hinreißend sadistischen Zucken um die Mundwinkel, »spaghettifiziert.«
    »Gewagtes Bild«, sagte ich,
»für eine Sprachskeptikerin.« Die Sonne hatte sich auf einer Hügelkuppe
niedergelassen. »Das ist«, sagte Anna, »der astronomische Fachausdruck.«
    O glückliche Naturwissenschaft.
     
    »Haben Sie denn«, sagte Anna,
»nie daran gedacht, das Zimmer zu suchen?«
    »Ich weiß nicht ganz, wovon
Sie...«
    »Ich meine, es gibt doch nur
zwei Möglichkeiten. Entweder Sie graben sich weiter in Ihre Träume ein, in der
Hoffnung, irgendwann diesen ominösen Schlüssel zu finden. Oder Sie drehen den
Spieß um und suchen Ihr Traumzimmer in der Wirklichkeit.«
    Die MS Johann Strauß fuhr vorbei, ihr Signalhorn tutete warnend.
    Es war Mitte August, und mir
war einfach nichts Besseres eingefallen als die Wachau. Terrassencafe Richard
Löwenherz, vom Klientel her leicht versnobt, aber, wie mein britischer
Österreich-Reiseführer wahrheitsgetreu bemerkt, splendid views.
    »Sie vergessen«, sagte ich,
»die Praxis. Soll ich in die weite Welt hineingehn, mit Stock und Hut, und in
Tausende Zimmer meine Nase stecken?«
    »Von Tausenden kann doch keine
Rede sein.« Anna strich sich die Strähne aus der Stirn, ein Spritzer Abendlicht
blieb an ihren Fingern haften. »Es hat mit Coleridge zu tun, das vermuten Sie
doch auch. Von welchem Zimmer hätte er wohl geträumt?«
    »Coleridge«, sagte ich, »hat so
häufig den Wohnort gewechselt, bei seinen Wanderungen in so vielen Gästezimmern
geschlafen, ich bräuchte ein halbes Leben, um die alle ausfindig zu machen.«
    »Fangen Sie doch«, sagte Anna,
»bei den wichtigsten an.« Wonach ich denn Wichtigkeit bemessen sollte, fragte
ich. Die Sonne war schon in den Hügel gefallen. Die grüne Sparbüchse hatte den
roten Heller geschluckt. Wenn das jeden Abend so ging, kam einiges zusammen.
    »Die Gedichte«, sagte Anna,
»das magische Jahr, wie Sie es nennen. Die Alpträume.«
    Die unerfüllte Liebe, dachte
ich. Asra und Anna. Macht einen ganz schön sentimental, der Dürnsteiner
Kellerberg.
    »Gut«, ich riß mich zusammen,
»wenn das Ihre Kriterien sind, können wir eine Liste erstellen. Orte und Bonuspunkte.«
    »Ich

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