Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert
Töchter von den Konten keine Ahnung gehabt hatten, während die Söhne eingeweiht waren, offenbart ja eine hierarchische Familienstruktur. Die Ängste wegen meiner unsicheren freiberuflichen Tätigkeit, die mich nach meiner Scheidung vor sechs Jahren oft quälten, waren also völlig unnötig gewesen. Hatten meine Brüder sich darüber keine Gedanken gemacht? Bald siegte jedoch meine Erleichterung, dass ich nie mehr finanzielle Sorgen haben würde.
Oft habe ich im Leben das Gefühl gehabt: Ich bin eine Gesegnete. Es gab in meinem Leben schwierige und kritische Situationen, aber sie wuchsen sich nie zu einer Katastrophe aus, sondern haben am Ende zu mehr Zufriedenheit geführt. Auch das Geld, das quasi vom Himmel fiel, zeigt mir, dass ich gesegnet bin. Mein Erbe ermöglicht mir, ein reichhaltiges, vielfältiges Leben zu führen. Die Erfüllung von Träumen habe ich mit meinem Vermögen nie verbunden. Es gibt keinen Traum, der vergeblich auf Realisierung wartet, weil mir dazu bisher die Mittel gefehlt hätten. Ich habe eine gesunde Tochter, Freunde, ich habe eine gute Bildung bekommen, ich besitze eine große Eigentumswohnung und ein Ferienhäuschen, ich lebe auf einem Level, wo kaum noch Konsumwünsche offenbleiben. Das Einzige, was ich mir nach der Erbschaft gleich geleistet habe, ist ein neues kleines Auto, und auch das nur, weil mein altes kaputtging. Inzwischen habe ich meine Wohnung renovieren lassen, manches im Haushalt ersetzt, ich gönne mir ab und zu gute Hotels und besitze eine Bahncard erster Klasse. Mein Banker sagt immer: »Kaufen Sie sich doch endlich mal einen Sportwagen.« Aber ich lache dann nur. Mir sind andere Dinge wichtiger, zum Beispiel will ich in meiner Lebensführung ökologische Aspekte berücksichtigen. Wobei es natürlich immer wieder Kollisionen gibt zwischen meinen finanziellen Möglichkeiten und der ethischen Haltung: Small is beautiful. Schränke dich ein! Wirf nicht so einen großen Schatten auf die Erde, wir leben in einer Zeit, die Umdenken verlangt.
Mit meinen Freundinnen habe ich ziemlich bald über mein Erbe geredet und auch die Summe genannt, weil ich nicht wollte, dass mich ein Geheimnis von ihnen trennt. Ich wollte zeigen: Ich habe Vertrauen und teile euch etwas mit, was vielleicht sogar Neid auslöst oder Begehrlichkeiten weckt. Ich war auch deshalb so offenherzig, weil ich signalisieren wollte, dass ich mich nicht als etwas Exklusiveres fühle. Der Grund, weshalb ich bisher weder Neid noch Missgunst zu spüren bekam, liegt vielleicht darin, dass Menschen sehen, dass ich mich nicht auf die faule Haut lege. Ich lebe komfortabel, aber nicht im Luxus. Mein Selbstbewusstsein beziehe ich nicht aus meinem Vermögen, sondern aus meinem Beruf, auch wenn ich das tue, was jeder tun sollte, der Geld hat: weniger arbeiten, um Dinge zu machen, die mich freuen, zum Beispiel im Chor singen. Und ich kann mir leisten, dann und wann meine Zeit und berufliche Kompetenz zu verschenken.
Vor allem engagiere ich mich in einer politischen Stiftung. Das ist eine gute Mischung: Man gibt Geld einen Sinn, aber nicht nur in Form einer Spende, die ja auch eine Art Ablass sein kann, sondern durch aktive Teilhabe an sozialen Projekten. Es ist ungerecht, dass Menschen, die bei ihrer Geburt die richtige Adresse hatten, sorglos leben können, während sich andere immer mehr in unsicheren Lebensverhältnissen einrichten müssen. Mein Vermögen empfinde ich deshalb als Einladung und Verpflichtung, mich um unser Gemeinwesen zu kümmern und die Rolle der verantwortlichen Bürgerin zu übernehmen. Und ich kann nötigenfalls Menschen in meiner Umgebung aus der Klemme helfen, wobei ich inzwischen davon ausgehe, dass ich Geld nicht zurückkriegen werde. Juristische Verträge mit Raten oder Zinsen versauen Freundschaften. Deshalb verleihe ich Geld nicht, sondern schenke es. Und wenn jemand es zurückzahlt, ist es auch gut.
Ich mache gerne Geschenke, und ich werde gern beschenkt. Natürlich, ich könnte mir vieles selbst kaufen, aber ich freue mich sehr über persönliche Geschenke, die eine Beziehung zu mir ausdrücken. Wenn ich spüre, es wird irgendetwas ausgewählt, weil man einen guten Eindruck machen, aber kein Opfer bringen möchte, habe ich das Gefühl, ich soll nur beschwichtigt werden. Ab und zu verschwenderisch überschüttet zu werden, macht mich glücklich, vielleicht, weil es so selten ist.
Auch vor meiner Tochter wollte ich kein Geheimnis haben. Zu ihrem 18 ten Geburtstag habe ich ihr einen Anteil
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