Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert
lege ich zurück.‹ Wenn man dann weiterfragt: ›Was machen Sie denn in dem Häuschen?‹, entsteht oft eine große Ratlosigkeit. Es werden keine Träume genannt wie: Ich wollte schon immer mal eine Band gründen, dann hätten wir einen Proberaum. Oder: Ich züchte die Rose meines Herzens. Also die Verwirklichung eines Lebenstraums. Die meisten Menschen können sich kleine Veränderungen vorstellen, beispielsweise ihre Arbeitszeit zu reduzieren, aber es gibt wenig Fantasien über den gewohnten Alltag hinaus. Und auch wenn ihnen irgendetwas vorschwebt, fehlt oft der Antrieb, Pläne umzusetzen.«
Das Plädoyer von Wilhelm Schmid, dass keiner in unser Gesellschaft mehr als eine Million Euro verdienen sollte, weil eine gerechte Verteilung Demokratie und soziale Verantwortung fördert, mafiöse Machenschaften eindämmt und Bürgern das beglückende Gefühl von Lebenssinn vermittelt, mag für viele utopisch klingen. Doch Umfragen bestätigen, dass Deutsche im tiefsten Herzen ihrer Konsumlust misstrauen. Nicht Besitz oder Erfolg werden als beglückend genannt. Wichtiger als materielle Dinge sind Familie und Freunde. 24 So unterschiedlich die Finanzlage meiner InterviewpartnerInnen sind, ihr durchweg entspanntes Verhältnis zu Geld beruht auf der Einsicht, dass ein maximaler Verdienst ihr Zeitbudget nicht vergrößern würde. Niemand steckt sich zum Ziel, reich zu werden. Für alle ist Geld in erster Linie ein Gestaltungsmittel. Dass Eigentum »verpflichtet« und befähigt, Glück zu spenden, formuliert Jana L., die mit Mitte 50 Millionen erbte. »Luxus führt oft zur Selbstberaubung«, begründet sie ihren seither kaum veränderten Lebensstil. Aber ihr Vermögen ermögliche es ihr, andere zu unterstützen und gesellschaftliche Projekte anzustoßen.
Jana L.: »Luxus führt oft zur Selbstberaubung.«
Binnen einer Stunde fällt alles Betriebsame von mir ab, wenn ich Jana in ihrem Sommerparadies an einem schleswig-holsteinischen See besuche. Die meisten Wochenenden und Urlaube verbringt sie hier, in einem ehemaligen Gutsarbeiterhäuschen, mit Blick auf den waldumsäumten See, zu dessen Ufer eine abschüssige Streuobstwiese führt. »Bei Regen kann es ganz schön einsam sein.« Jetzt verwöhnt uns die Sonne. Malven, Cosmea, Rittersporn blühen auf Beeten zwischen Johannis- und Stachelbeersträuchern, das Schütteln der Mirabellenbäume ergibt elf Gläser Marmelade, Kirschen und Äpfel müssen noch reifen. Keines der sechs angrenzenden Grundstücke ist umzäunt, nur Kinder ziehen sich einen Badeanzug an, wenn sie vom gemeinsamen Bootssteg ins Wasser steigen, doch der vertraute Umgang der Nachbarn miteinander engt das Bedürfnis nach Ruhe und Ungestörtheit nicht ein.
In der Abenddämmerung ist das Schaukeln der zwei Jollen das einzige Geräusch, als wir im Strandkorb sitzen, den Jana gerade über ebay erstanden und selbst transportiert hat. Janas handwerkliches Geschick bewundere ich, seitdem aus unserem beruflichen Kontakt Freundschaft wurde. Das Austüfteln und Reparieren von Dingen trägt zur klaren Alltagsstrukturierung bei, die der Mittfünfzigerin ermöglicht, Lehraufträge, Haushalt und nach ihrer Scheidung die Alleinerziehung ihrer Tochter unter einen Hut zu bringen.
Geld verdienen müsste die brünette, schlanke Germanistin aus Lübeck nicht mehr. Von ihrer überraschenden Erbschaft könnte sie ein sorgloses Leben führen, doch der Geldsegen hat ihren Lebensstil wenig verändert. Mitunter streng mit sich und anderen, dann wieder voller zärtlicher Durchlässigkeit für kostbare, heitere Lebensmomente, wechselte Jana offenbar ihren inneren Kompass nicht aus. Während unseres Gesprächs blicken wir auf den See, über dem Vögel lautlos ihre Bahnen ziehen. Für einen Moment hält Jana inne: »Guck mal! Fischreiher. Wie schön! Sie sind ein Leben lang befreundet und auch ein Paar.«
Dass ich Millionärin bin, habe ich vor drei Jahren erfahren. In einem Hotel in Karlsruhe lüftete mein ältester Bruder unser Familiengeheimnis. Wir saßen zu siebt beim Abendessen, er klopfte ans Glas und teilte uns mit, dass er seit 18 Jahren das in der Schweiz angelegte Vermögen unseres verstorbenen Vaters betreue. Jeder von uns fünf Geschwistern erbe drei Millionen, der Rest bleibe bei unserer Mutter. Wir drei Schwestern waren wie vom Donner gerührt. Wir haben dann Champagner getrunken und wurden sehr ausgelassen, plötzlich gab es eine Art Familienbündnis, das ich sonst oft vermisse. Aber ich war auch gekränkt. Dass wir
Weitere Kostenlose Bücher