Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert
vererbt, damit sie weiß, dass sie sich bei ihrer Berufswahl in nichts hineinzwingen muss. Sie ignoriert ihr Vermögen, weil es sie von Gleichaltrigen separiert. Sie hatte immer Freunde, die eher etwas knapp leben, und befürchtet, sich zu unterscheiden. Demnächst zieht sie mit ihrem Freund zusammen, in eine preiswerte Zweizimmerwohnung.
Auf die Frage, wie mein Vater so viel verdienen konnte, kann ich nur antworten: Er war leidenschaftlicher Unternehmer und er hatte auch eine Portion krimineller Energie. Viele seiner lukrativen Auslandsaufträge erhielt er über Bestechungen. Der Gedanke, dass er so viel Anstrengungen und Verschleiß in Kauf genommen hat, um ein Vermögen zu bunkern, hat mich mal sehr traurig gemacht, weil ich das Gefühl habe, das Wesentliche hat er nicht gefunden. Er hat alle Wünsche in beruflichen Erfolg umgelenkt und entfernte sich immer weiter von seiner Familie. Irgendwann hat meine Mutter es aufgegeben, ihn als Partner anzufragen. Spaß hatten wir selten mit ihm. Ich erinnere eigentlich nur eine Szene, als er sonntagnachmittags im Sessel saß und wir Kinder ihn auf jede erdenkliche Weise frisieren durften. Aber sonst hatte er keine Zeit und kein Ohr für uns. Nur einmal, als ich einen langen Artikel in der F.A.Z. unterbringen konnte und er ihn für seine Geschäftskollegen fotokopierte, hatte ich das Gefühl, dass er meine Tätigkeiten wahrnimmt und stolz ist auf mich. Seine Liebe und Fürsorge hat er in Geld umgemünzt, in das Vermächtnis: »So könnt Ihr euch auf mich verlassen.« Die größte Nähe empfand ich an seinem Sterbebett, als ich seine Hand hielt. Er war einsam im Leben und sollte nicht noch einsam sterben.
Bin ich durch mein Vermögen glücklicher als früher? Der Inbegriff eines glücklichen Wesens ist für mich ein Wasserläufer. Er läuft auf der Oberflächenspannung elegant mal hierhin, mal dorthin, und jeder staunt: Wie schafft er es bloß, dass er nicht untergeht? Wenn es mir gutgeht, wenn das Leben fließt und ich überzeugt bin von dem, was ich tue, dann fühle ich mich wie ein Wasserläufer flink und leicht. Dieses Lebensgefühl ist durch mein dickes Bankkonto verstärkt worden. Das Gegenbild zum Wasserläufer ist der Wattwurm. In der Phase, als meine Ehe immer unglücklicher wurde, hatte ich das Gefühl, ich bohre mich wie ein Wattwurm immer tiefer in den Morast. Geld ermöglicht mir, Menschen einzuladen, ich versuche, private Feste großzügig zu gestalten, es macht mir Freude, Geselligkeit zu stiften. Neulich haben wir ein Straßenfest organisiert, ich habe sehr viel Zeit reingegeben, damit es schön wird. Leute, die sich vorher gar nicht kannten, haben bis in die Nacht miteinander geredet, gegessen, getrunken, gesungen. Solche Stunden, die ja auch nachhallen, sind für mich Glück. Ich freue mich, dass ich etwas anstoßen kann, will mich auch nicht freikaufen von Anstrengungen, weil ich weiß, dass Anstrengungen befriedigend sind. Wenn du Mühseliges immer delegierst, verarmst du, dein Leben wird bequemer, aber auch leerer. Ich fahre gern Fahrrad oder nehme die U-Bahn, möchte nicht nur ins Taxi steigen. Luxus führt oft zur Selbstberaubung. Das ist auch der Grund, weshalb ich mich ungern in sehr wohlhabenden Kreisen bewege. Menschen mit hohem Status und Elitebewusstsein schüchtern mich ein und enttäuschen mich häufig. Sie lesen nicht die Bücher, die mich interessieren, gucken nicht die Filme, die ich spannend finde. Reichtum verführt oft zum langweiligen Ersatzleben. Zudem habe ich oft keine Lust, mich dauernd chic anzuziehen.
Was mir wie vielen Frauen meines Alters fehlt, ist ein ebenbürtiger Partner. Ich würde gern jemand an meiner Seite haben, mit dem ich mich einig, verbunden fühle, aber ich habe wenig Hoffnung, noch einen passenden Lebensgefährten zu finden. Ich bin intellektuell durchtrainiert, praktisch begabt und finanziell unabhängig. Da fühlen sich Männer schnell überflüssig. Manchmal denke ich: »Mach doch Kompromisse!« Aber ich weiß, wie anstrengend die sind. Die Nähe zu meinem geschiedenen Mann lebte auch von meinen Projektionen. Seine innerliche Unabhängigkeit von mir hat mich angespornt, um ihn zu werben. Ich glaube, meine Begeisterung war ihm verdächtig, er hatte das Gefühl, ich meine gar nicht ihn. Und das ist auch manchmal so: Man ist froh, dass man endlich ordentlich begeistert lieben kann. Aber es ist Quatsch, Liebe abzuweisen, weil man glaubt, man sei nicht gemeint. Man sollte sie annehmen und daraus ein Energiefeld
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