Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert
gebündelt.
Ob es einen Königsweg zum Glück gibt und welcher Gaben es bedarf, um ihn zu finden und einzuschlagen, beschäftigt Denker und Ideologen seit Jahrtausenden. Während in der Antike vor allem Philosophen die rechte Lebensführung erörtern und Glück und Tugend oft zum Zwillingspaar erklären und im Mittelalter Moraltheologen und Kirchenväter den eher dornenvollen Pfad zum dies- und jenseitigen Seelenheil weisen, setzen sich heute Vertreter aller Fachrichtungen mit der Frage auseinander, was Glücksgefühle fördert oder stranguliert. Auch in westlichen Ländern gelten asiatische Lebensweisheiten als Schlüssel zum Glück. Die Hirnforschung und die Positive Psychologie korrigieren Erklärungen der klassischen Psychoanalyse, warum wir zu Optimismus oder Pessimismus neigen. In der Flut neuer Sachbücher und Ratgeber schwimmen wir buchstäblich im Glück. Blumige Lebenshilfe und Hauruck-Rezepturen konkurrieren mit klugen Analysen. In wechselseitiger Referenz entwickelt sich ein Diskurs, den auch jene, die sich rege daran beteiligen, als wahre Glückshysterie bezeichnen. Doch wenn auch viele Autoren den Bogen schlagen von abstrakten Erörterungen zu alltagsnaher Lebenskunst, beleuchtet bisher kein Sachbuch, was Glück für Menschen real bedeutet. Die Frage, ob Frauen und Männer Glück unterschiedlich definieren, bleibt ebenso ausgeklammert wie das sich wandelnde Glück im fortschreitenden Lebensalter.
Ein so subjektives Gefühl wie Glück lässt sich exemplarisch nicht ausloten. Seit eh und je schöpfen Künstler ihren Stoff aus der Vielfalt, mit der Menschen Glück gestalten, verteidigen, zurückerobern, versäumen, meiden, bekämpfen oder zurückstellen, weil andere Werte für sie wichtiger sind. Dass in der Kunst wie im Leben sich unsere Fantasie besonders am Unglück entzündet, bedauerte die geistreiche Madame du Châtelet 2 schon im 17 .Jahrhundert. Wie im Theater der Vorhang fällt, wenn das Gute siegt und Amor triumphiert, so seien auch realiter die Glücklichen unsichtbarer als die Stiefkinder des Lebens.
Menschen, die rundum mit ihrem Dasein zufrieden sind, rätseln meist nicht über den Ursprung ihrer Lebensfreude und ihrer Zuversicht. Im Einklang mit sich und der Welt, werden sie absorbiert von dem, was ihr Leben erfüllt. Gleichwohl verändern sich Wünsche. Was uns einst vom Hocker riss, langweilt uns jetzt; umgekehrt entzücken uns Dinge, die wir vorher keines Blickes würdigten. Im reiferen Alter erkennen wir die Prägungen durch unsere Eltern und den Einfluss des familiären und gesellschaftlichen Klimas auf unser Fühlen und Handeln. Und niemand geht ungeschoren durchs Leben. Gerade glückliche Menschen fliehen nicht vor Konflikten, sondern beziehen Kraft und Selbstvertrauen daraus, dass sie sich Krisen stellen und Schicksalsschläge bewältigen.
Corinna Mahlke: »Die Lust auf Neues ist mein Lebensmotor.«
Welch glücklicher Zufall, dass ich meinen Pass gerade an diesem Tag verlängere. Es ist voll im Einwohnermeldeamt, die Ziffern auf der Anzeigetafel sind noch weit entfernt von meiner Wartenummer. Eine Mutter mit zwei Söhnen setzt sich neben mich. Liebevoll rangelnd widmet sich der Ältere seinem kleinen Bruder. »Stören sie Sie?«– »Im Gegenteil.« Mit Interesse beobachte ich die sympathische Familie, beeindruckt, wie mühelos die beiden Jungen von Deutsch zu Spanisch wechseln. Als die Mutter ein Foto aus der Brieftasche zieht und zu ihren Söhnen sagt: »Das ist das letzte Foto von Imre und mir«, wächst meine Neugier. Noch drei Ziffern, dann folgt meine. Meine Frage, ob wir unsere Telefonnummern austauschen könnten, scheint die brünette Frau nicht zu überraschen. Sie habe sich nicht getraut, mir ein Treffen vorzuschlagen.
Seit dieser zufälligen Begegnung vor drei Jahren verfolge ich staunend, mit welcher Energie Corinna den Umzug ihrer fünfköpfigen Familie von Spanien nach Berlin organisiert. Die schlanke 48 -Jährige ist verwitwet, ihr jetziger, langjähriger Partner Manuel C. ist Spanier und Vater ihres dritten Sohnes. Sein Umzug nach Berlin erfolgt, nachdem Corinna eine Altbauwohnung gefunden hat, die sie im Nu mit geschenkten und günstig erstandenen Möbeln zweckmäßig, leicht und farbenfroh einrichtet. Als Corinna ein halbes Jahr später eine schönere und preiswerte Wohnung findet, zieht die Familie nochmals um– ungeachtet dessen, dass Manuel gerade eine Stelle als Koch angenommen hat und Corinna vollauf mit der schulischen Umstellung ihrer Söhne, deren
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