Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert
Musikunterricht, zwei eigenen privaten Gesangschülern und der Vermietung ihres Hauses in Spanien beschäftigt ist.
Manchmal sieht man Corinnas hübschem, schmalem Gesicht mit den grünen Augen an, dass sie sich bis zum Anschlag verausgabt. Auch Manuel, elf Jahre jünger als sie, wirkt mitunter erschöpft, dennoch haben beide die Gabe, nie hektisch zu sein. Umringt von neuen Freunden und oft in der Gastgeberrolle, fasst das Paar in Berlin schnell Fuß. Beider Großzügigkeit im Umgang mit Menschen, Corinnas Spontaneität und Fröhlichkeit sowie Manuels Anstrengung, binnen kurzem Deutsch zu lernen, ziehen Menschen an und öffnet Türen. Corinna strahlt, als wir uns vormittags mehrmals zum Gespräch treffen. Sie habe sich für eine Sekretärinnenstelle bei einem Bundestagsabgeordneten beworben, das Vorstellungsgespräch sei gut gelaufen.
Vorletzte Woche war ich von Freitag bis Montag in völliger Euphorie. Ich war froh, als sie wieder abklang. Früher versuchte ich, den Rausch künstlich zu verlängern. Heute strengt es mich an, wenn drei Tage lang kein Normalzustand eintritt. Ich bin auf Hochtouren, esse wenig, finde abends nicht ins Bett. Die Euphorie begann, als ich Manuel erzählte, dass ich zum Vorstellungsgespräch eingeladen bin. Je mehr Freunde davon wussten, desto größer wurde meine Freude. Kurz vor dem Termin überwog die Aufregung. Würde ich in ein Loch fallen, wenn ich die Stelle nicht bekäme? Aber es ist schon eine große Befriedigung, dass ich mir die Bewerbung zutraute und dass mein krummer Lebenslauf offenbar etwas wert ist. Ich habe mein Bestes gegeben. Der Rest liegt nicht mehr in meiner Hand. Als ich nach dem Gespräch nach Hause ging, war ich glücklich, aber auch sehr erschöpft.
Das Gefühl von Glück hat sich in meinem Leben sehr verändert. Als ich jung war, war Glücklichsein für mich ein Programm. Es war theoretischer, nicht so sinnlich wie heute.
Ich bin in kleinbürgerlichen Verhältnissen in einer westfälischen Kleinstadt aufgewachsen. Glücklichsein in meiner Kindheit verbindet sich mit den mystischen Geschichten, die meine Mutter uns erzählte. Alles was mit Weihnachten, Jahresfesten zu tun hatte. Und wenn ich meine Mutter ganz für mich allein hatte. Ich saß bei ihr in der Küche, während sie kochte oder bügelte. Ich habe schöne Erinnerungen an ihre Körperwärme, ihren Geruch. Bei Gewitter durften wir zu meinen Eltern ins Bett kriechen. Die Omi saß dann am Fußende. Das war sehr gemütlich. Meine Eltern waren sehr bemüht, uns eine gute Kindheit zu geben, doch ich habe von ihnen nie den Satz gehört: »Wir möchten, dass ihr glücklich seid.« Wenn wir alle am Tisch saßen, wurde schon mal gesagt: »Geht’s uns gut!« Da schwang Stolz mit nach dem Motto: »Das haben wir uns auch verdient«, auch Dankbarkeit. Wenn darüber geredet wurde, dass es anderen besser ging, klang Neid an, mit dem Unterton: »Die haben das, aber wir brauchen das nicht.« Es wurde verglichen, und dann grenzten meine Eltern sich schnell ab, aus Angst, das Glück anderer könne das eigene abwerten. Glück war ein Konglomerat aus Familie, Gesundheit, dem Häuschen. Glück hatte viel mit Ordnung, Sicherheit zu tun und wurde ziemlich hermetisch genossen.
Bedrückende Kindheitserinnerungen sind, dass mit mir geschimpft und dass ich geschlagen wurde. Hauptsächlich deshalb, weil ich meine zwei Jahre ältere Schwester gepiesackt habe. Mein Vater hatte das Prinzip: Alle vier Töchter sind gleich. Ich denke, ich war sein Liebling. Als Kind hatte ich jedoch das Gefühl, er liebt mich am wenigsten, weil er oft auf mir rumhackte. In der Pubertät spitzten sich unsere Auseinandersetzungen zu. Ich hatte oft Angst vor ihm und seiner verletzenden Ironie. Körperliche Mängel wie meine staksigen Beine wurden gnadenlos kommentiert. Meine Mutter hat gern gelacht, mein Vater lachte eigentlich nur über andere. Er hat sich wohl immer geschämt für seine geringe Schulbildung, obwohl er stolz darauf war, dass er es bis zum Bundesbahnbeamten gebracht hat. Meine Mutter hielt grundsätzlich zu meinem Vater und hat auch gepetzt. Ich konnte nicht ausmachen, wer ist der eine, wer ist der andere. Sie waren zu einer Einheit verschmolzen, die ich mitunter als geballte Macht empfand.
Der größte Riss in der Beziehung zu meinem Vater erfolgte, als ich mit 14 meinen ersten Freund hatte. Mit diesem Freund, er war drei Jahre älter, war ich glücklich. Glücklichsein hatte damals zu tun mit Weite, Freiheit, Zukunftsplänen. Ich kam
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