Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert

Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert

Titel: Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina von Kleist
Vom Netzwerk:
mich nicht reinließ, damit ich unser Ausscheiden erklären konnte, gehört zu den schrecklichsten Situationen in meinem Leben. Ich war ausgesperrt, erhielt keine Chance, mich zu verteidigen. In dieser Situation war Unglück wie ein schwarzes Gitter, das vor mir runterrasselte.
    Eine Woche später fing mein schweres Rheuma an. Die Krankheit packte mich an meiner verwundbarsten Stelle. Ich war handlungsunfähig, konnte mich nicht mehr bewegen. Ich konnte nicht mal mein kleines Kind hochheben. Meine Kraft war vollends aufgebraucht. Glücksmomente waren, wenn ich noch einen Funken Energie in mir spürte, aber das war selten. Zwei Jahre haben die Schmerzen alles beeinträchtigt. Auch unsere Beziehung stand auf der Kippe. Manuel geht mit Krisen ganz anders um. Sein vorherrschendes Gefühl war Groll, meins war Kummer. Er frisst Wut in sich hinein, während ich darüber reden muss. Positiv für uns war sicher, dass ich einmal nicht die Stärkere war. Ich war stets die Aktivere gewesen, und jetzt musste ich fragen: »Schmierst du mir ein Butterbrot?« In dieser Krisenzeit entglitt mir das Leben.
    Irgendwann las ich eine Erzählung, die handelte von Menschen, die in kargen Verhältnissen im Gebirge leben. Als ein Mann seinen Holzschlitten den Berg hochzieht, zweifelt er plötzlich am Lebenssinn. Im Moment, in dem er den Mut verliert, weiterzumachen, wird er von seinem Holzschlitten überrollt. Beim Nachdenken darüber wurde mir klar, dass ich dabei war, mich aufzugeben. Als ein spanischer Freund eine Oper inszenierte und mich als musikalische Direktorin beauftragte, hatte ich wieder eine kleine Perspektive. Ich nahm die Krankheit als Chance an, etwas über mich zu lernen. Ich hatte mit meinen Kräften lange Missbrauch getrieben. Jetzt weiß ich, dass ich nicht ständig aus mir rausgehen kann, sondern Pausen brauche, um mich wieder aufzufüllen. Das gilt auch für extreme Glückszustände. Früher habe ich Glück nur als Glück wahrgenommen und hätte nicht einordnen können, warum ich mich nach drei Tagen Euphorie ausgepowert fühlte.
    Rückblickend überwiegen für mich die gewinnbringenden Erfahrungen. Manuel und ich haben in dem Geburtshausprojekt viel Geld verloren. Dass wir den Konflikt nicht erwachsen lösen konnten, empfinde ich als Scheitern. Das Projekt war maßlos. Aber ich bin auch stolz, wie viel Mut wir hineingesteckt haben.
    Seit drei Jahren leben wir in Berlin. In der Zeit, in der es mir schlecht ging, kam immer häufiger der Gedanke: Warum nicht zurück nach Deutschland? Zum ersten Mal empfand ich so etwas wie Heimweh. Wir beschlossen, Manuel renoviert das Haus, das wir gekauft hatten, und ich gehe für eine Weile mit den Söhnen nach Berlin, um herauszufinden, ob das deutsche Schulsystem besser ist. Im Internet fand ich ein Pärchen für einen halbjährigen Wohnungstausch. Wenn ich mir etwas vornehme, klappt es schnell.
    In der Regel fällt es mir schwer, morgens aufzustehen. Morgens habe ich grundsätzlich nicht das Selbstvertrauen und die Zuversicht, die ich abends habe. Zwischen Weckerklingeln und Deckewegschlagen fallen mir alle Verpflichtungen und Sorgen ein, über die ich erst hinwegklettern muss. Das ist anders, wenn Unbekanntes vor mir liegt. Neugier auf Neues ist mein Lebensmotor. Schon als Kind konnte ich nur dann fröhlich aufstehen, wenn etwas Neues zum Anziehen auf dem Stuhl lag. Als wir nach Berlin ins Abenteuer zogen, war ich in Hochstimmung. Obwohl wir in dieser Tauschwohnung sehr beengt wohnten, wachte ich morgens auf mit dem Gefühl: Die Stadt wartet auf mich! Opern, Theater, die vielen Museen! Die negativen Seiten einer Großstadt lernte ich erst allmählich kennen.
    Seit einem Jahr bin ich wieder gesund. Ich spüre meine Lebenslust. Es ist eine Art Glucksen, Brodeln in mir. Eine Berliner Therapeutin half mir, das Chaos der letzten Jahre zu sortieren. Ich verarbeite vieles, indem ich es aufschreibe.
    Es ist wohl so: Ich überfordere mich oft, weil ich etwas Besonderes sein will. Ich schöpfe meine Energie und Lebensfreude daraus, dass Menschen mich mögen und lieben. Dass ich den beruflichen Teil bisher nicht ausgefüllt habe, bedauere ich sehr. Ich habe viele Talente, aber ich habe keines ernsthaft verfolgt und ausgebaut. Vielleicht ist es für mich deshalb so wichtig, in Beziehungen zu spüren: Ich bin so wie ich bin als Ganzes gut. Ich brauche das Echo von anderen, um mich selbst wertzuschätzen. Freunde geben mir Zuversicht, Geborgenheit, Wärme. Aber mittlerweile traue ich mich,

Weitere Kostenlose Bücher