Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert
langjährige Freundschaften unter die Lupe zu nehmen. Sind wir uns wirklich nahe? Oder bin ich mit jemandem nur verstrickt? Früher habe ich bei neuen Freundschaften eher Ähnliches zu mir gesucht. Jetzt reizt mich Unterschiedliches. Ich freue mich, wenn ich mit hinein darf in ein anderes Leben.
Mein Leben ist unruhig, aber ein ruhigeres kann ich mir nicht vorstellen. Manchmal zweifele ich, ob wir je wieder nach Spanien zurückziehen. Dann wieder denke ich, nach diesen erfüllten Jahren können wir getrost zurückgehen, sobald Manuel dort ein Restaurant eröffnen kann. Die Frage, wohin ich gehöre, hat sich verflüchtigt. Ich habe eine neue Festigkeit, Sicherheit gefunden. Glücklichsein ist für mich konkreter, überschaubarer geworden. Irgendwo zu sitzen und zu spüren, dass mich ein Sonnenstrahl trifft, solche Glücksmomente hatte ich nicht als junge Frau. Wenn ich unseren Jüngsten zur Schule gebracht habe, gönne ich mir oft eine Stunde im Café, ich lese Zeitung oder ich nehme mir was zum Schreiben mit. Glück empfinde ich in einem Konzert. Es ist still, der Dirigent hebt den Taktstock. Dann ist alles, was sonst an mir hängt, weg. Ich löse mich auf, werde zum Teil der Stimmung, der Harmonie, des Zusammenspiels des Orchesters. Ein ähnliches Gefühl habe ich in den Bergen. Früher habe ich die Wanderungen im Bayerischen Wald mit meinen Eltern gehasst, jetzt bleibt alles, was mich belastet, weit unten.
Älter zu werden macht mir bisweilen Angst. Bis zu meinem 42 sten habe ich Geburtstage mit großer Freude erlebt, aber als mein Rheuma begann, hatte ich das Gefühl, ich gehe vom Jungsein schnurstracks ins Oma-Stadium über. Ich war früher durchtrainierter, meine Beine werden schlaff. Doch seitdem ich wieder mehr Kraft habe, finde ich mich auch wieder attraktiv. Als die Kinder klein waren, habe ich wehmütig Abschied genommen, wenn eine Lebensphase vorbei war. Das Glück über sie war immer verbunden mit dem Wunsch, es möge ihnen bitte nichts zustoßen. Jetzt freue ich mich darauf, mehr Zeit für mich zu haben, wenn die Großen bald aus dem Haus gehen. Ich konnte Erkenntnisse an sie weitergeben. Der Älteste hat mit seinem politischen Engagement für die Antifa viele Themen aufgegriffen, die mir wichtig sind. Ich sehe auch, dass die Welt verbesserungswürdig ist, aber ich habe keine Kapazität mehr. Mein Idealismus ist erschöpft.
Ich bin dankbar für mein Leben, will kein anderes. Meine Dankbarkeit richtet sich schon an so etwas wie Gott. Ich merke, wie tief meine katholische Erziehung in mir verwurzelt ist, allerdings nicht so tief, dass Gott die letzte Instanz in meinem Leben ist. Ich bete in Not nicht, gehe jedoch nach Jahrzehnten der Abkehr wieder gern in die Kirche. Es ist wie ein Nachhausefinden. Auch meinen Eltern bin ich mittlerweile dankbar. Ich bin versöhnt mit ihnen. Wir haben das Privileg, zu drei Familien zu gehören: zu ihnen, zu Manuels Familie und zu den Geschwistern von Imre. Falls ich die Stelle bekomme, müssen wir finanziell nicht mehr so haushalten. Früher hatte ich oft Schuldgefühle, wenn es mir gutging, aus Angst, dass man Glück mit Unglück bezahlen muss. Aber ich denke, ich habe mein Maß auf beiden Seiten einigermaßen gefüllt. Wenn jetzt großes Glück kommt, nehme ich es dankbar an.
Liebe die Welt und die Welt liebt dich– Das Glück und die anderen
Familiäre Prägungen
In einer unregelmäßig veröffentlichten Serie des Allgemeinen Deutschen Sonntagsblattes befragte die Journalistin Monika Goetsch über mehrere Jahre prominente Personen in Deutschland zum Thema Glück. Die Antworten bestätigen den Befund der Glücksforschung, dass eine enge, verlässliche Beziehung zu anderen Menschen das Fundament ist, in dem alle anderen Säulen des Glücks verankert sind. Laut einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach glaubt nur ein Viertel der Westdeutschen und lediglich jeder zehnte Ostdeutsche, dass man ohne Familie glücklich werden kann. 3 Wer sozial gut eingebettet ist, lebt nicht nur schöner, sondern auch länger. Wer Menschen liebt und sich geliebt weiß, ist weit besser gegen Schicksalsschläge gefeit als Menschen, die freiwillig oder unfreiwillig als Solitär ihr Leben meistern. Die Resilienzforschung fand heraus, dass schwere Traumata geheilt werden können, wenn zumindest eine vertraute Person uns die Gewissheit vermittelt, wertvoll und unverzichtbar zu sein.
Wie uns eigene Lebenserfahrung und die Schreckensmeldungen in den Medien unaufhörlich vor Augen
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