Der Weg zur Hölle
blitzschnell seinen Arm zurück. Dabei stieß er gegen einen kleinen Hebel, der auf Fußhöhe angebracht war, und mit einem lauten Geräusch sprang der Kofferraum auf.
»Entschuldigung. Ich machs wieder zu.«
Er trat hinter das Auto und stieß einen Pfiff aus.
»Nicht gucken!«, rief Kesselbacher und versuchte aufzustehen. Erfolglos. Seine Beine wollten ihn nicht tragen. Der Polizeipräsident sah ihn fragend an.
»Was ist denn so Geheimes in Ihrem Kofferraum?«
Der Hüne sagte nichts.
»Vielleicht helfe ich meinem Fahrer, Ihren Kofferraum zu schließen«, sagte Kojun, den Blick immernoch auf Kesselbacher gerichtet. »Der Gute ist ganz wacklig auf den Beinen.«
Bevor der Andere reagieren konnte, war der Rollstuhl unterwegs, und nur ein paar Sekunden später verstand Kojun, was seinen Fahrer derartig erstaunt hatte.
»Gibt es eine Form von High-sein, für die man hier drin nichts findet?«
Kesselbacher vergrub das Gesicht in den Händen. »Das ist die Strafe.«
»Herr Kesselbacher, die ermittelnden Beamten werden gleich hier sein. Man wird Sie wahrscheinlich festnehmen. Verstehen Sie das?«
Der Mann schüttelte den Kopf.
»Das ist die Strafe«, wiederholte er. Dann nahm er die Hände vom Gesicht und sah den Polizeipräsidenten an, als sähe er ihn zum ersten Mal. »Wieso werden die Beamten gleich hier sein?«
»Sie sind derzeit in Ihrer Wohnung. Dort liegt der Kopf von dem Herrn da auf Ihrem Beifahrersitz.«
Kesselbacher wollte etwas sagen, doch es gelang ihm nicht. Erst ging der Mund auf, dann klappte er wieder zu. Hin und her, immer wieder. »Wie geht's meinem Hund?«, schaffte er schließlich über die Lippen zu bekommen.
»Ihr Hund ist tot. Er hat einen Polizeibeamten angegriffen und wurde erschossen.«
Kesselbacher ließ den Kopf zurücksinken und begann wieder zu heulen.
»Das ist die Strafe!«
»Nein«, sagte Kojun. »Das war erst der Anfang.«
*
»Ein Moralist«, sagte Reemund. Er und Wedelbeck hatten sich eine Viertelstunde nach diesen Ereignissen auf den Flur des schäbigen Hauses zurück gezogen.
»Warum ein Moralist?«
»Wedelbeck, das ist doch völlig klar. Er bringt nicht nur Menschen auf grausame Weise um, sondern er bindet die Taten obendrein auch an Leute, die nach seinem Dafürhalten bestraft gehören, indem er sie, wenn auch nicht sehr überzeugend als vermeintliche Mörder präsentiert.«
Wedelbeck schien an dieser Interpretation der Geschehnisse zu zweifeln.
»Wenn er von der Drogenküche hier wusste und etwas dagegen hatte, warum hat er dann nicht die Polizei angerufen? Anonym zum Beispiel. So handeln zumindest fast alle Moralisten, die ich je habe kennenlernen müssen.«
Reemund dachte nach.
»Vielleicht«, sagte er, nachdem eine Minute verstrichen war. »Vielleicht ist ihm das nicht genug. Kennen Sie sich mit Superheldencomics aus?«
Wedelbeck verzog angwidert das Gesicht. »Kaum.«
»Und da tun Sie immer so, als verstünden Sie was von Kultur! Da ist es ähnlich. Die meisten Helden liefern die Verbrecher nicht bei der Polizei ab, sondern stellen sie öffentlichkeitswirksam für jedermann sichtbar bloß. Unsereins muss dann nur noch kommen, die Bösen einsammeln und dabei möglichst inkompetent aussehen.«
»Was denn? Wollen Sie etwa sagen, wir haben es hier mit einer Art Batman zu tun?«
»Krude Moralvorstellungen scheint er ausreichend zu haben.«
Wedelbeck schüttelte energisch den Kopf.
»Sie vergessen den wichtigsten Punkt: Warum sind Koss und Medchenwunder umgebracht worden? Was haben die beiden gemacht, dass sie es nach der Meinung Ihres hypermoralischen Täters verdienen, zu sterben, wo er doch hier jemanden kennt, der in seiner dreckigen Küche Zeug zusammen panscht, mit dem sich hinterher womöglich Kinder den Rest geben? Das ist doch unlogisch!«
Reemund hob und senkte die Schultern.
»Was weiß denn ich? Vielleicht hasst er ja Fernsehmacher.«
»Stephan Medchenwunder war vorbestraft wegen Drogenhandels.«
Reemund sah seinen Stellvertreter überrascht an.
»Wirklich? Interessant.«
»Ja. Der englische Chef der Firma übrigens auch. Beinahe zumindest. Dem konnte man das in seiner Heimat allerdings nicht nachweisen, und wir haben bisher nichts Verwertbares gegen ihn vorliegen. Vielleicht war ja auch Koss in Drogengeschäfte verwickelt. Sagen Sie, was Sie wollen. Ich glaube allmählich, die ganze Sache hat mit dem Zeug zu tun.«
Jetzt war es an Reemund, zweifelnd den Kopf zu schütteln, aber Wedelbeck ließ sich nicht beirren.
»Sie müssen
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