Der Weg zur Hölle
erstaunlich behände zur Seite geworfen und rappelte sich nun ächzend wieder auf.
Der Raser öffnete seine Fahrertür und fiel aus dem Auto, direkt auf die Knie. Er sagte etwas, das so klang wie »Buschbrand« und übergab sich.
Der Mann war so groß wie einer jener Basketballriesen, die immer nur halb ins Fernsehbild passen. Dafür fuhr er ein erstaunlich kleines Auto. Er musste sehr gelenkig sein. Die Haare klebten ihm am Kopf, als wäre er gerade aus einem Dampfbad gestiegen.
Als er sich ausgekotzt hatte, krächzte er »Hilfe« und drohte in sein Erbrochenes hinein zu kollabieren.
Kojuns Fahrer holte eine Packung Taschentücher aus dem Jackett und ging auf den anderen zu, als sein Blick für einen Moment in dessen Wagen fiel. Er schrie auf und wich zurück. Auch ich wagte einen Blick, und mir erging es nicht besser. Auf dem Beifahrersitz, ordentlich angeschnallt, saß der Körper eines Mannes ohne Kopf. Ich ahnte, zu wem der gehörte, und ich ahnte auch, dass der Riese, der jetzt ohnmächtig in seiner eigenen Kotze lag, der Mieter der Wohnung sein musste, in der man Medchenwunders Kopf gefunden hatte.
*
Einige Minuten später lag Arnulf Kesselbacher, eine Decke und die Jacke des Fahrers unter sich, auf dem Gehweg. Seine langen Beine ruhten zwecks Gehirndurchblutung auf der Stoßstange von Kojuns Dienstwagen.
Der Polizeipräsident saß in seinem Rollstuhl neben ihm und hörte aufmerksam zu, denn Kesselbacher redete ohne Punkt und Komma.
»… bloß zur Arbeit. Verstehen Sie? Ich arbeite doch anständig. Ich bin Nachtwächter. Und vorher trainiere ich immer noch. Dann geht's mir besser. Das ist wichtig. Mein Auto ist zu klein. Immer mit dem Arsch zuerst, sonst komm ich nicht hinters Lenkrad. Ich wollte mir ein größeres Auto kaufen. Hätte ich das mal gemacht. Am besten einen Jeep, aber das kostet. Wissen Sie, was das kostet?«
Kojun bekundete, dass er das nicht wisse, aber das war garnicht nötig.
»Ich bin doch Nachtwächter. Und ich mache jeden Abend das selbe. Ich trainiere bis zehn. Dann setze ich mich direkt ins Auto und fahre zur Arbeit. Das Auto steht immer in der Tiefgarage. Da hab ich meinen festen Platz. Und ich hab mich reingesetzt. Arsch zuerst. Und bin einfach losgefahren, ohne anschnallen. Ich weiß, das soll man nicht machen. Mach ich aber. Also, ich bin losgefahren und am Drive-In da vorne hol ich mir immer mein Essen. Zwei Cheeseburger, große Pommes, Cola. Also, da bin ich hin. Ich muss mich immer weit rauslehnen, damit die mich hören. Das ist blöd. Und da hab ich mir das gekauft, wie immer. Und auf den Beifahrersitz geworfen, wie immer.«
Hier stockte er.
»Und da haben Sie bemerkt …?« Kojun beendete den Satz taktvollerweise nicht. Kesselbacher schüttelte den Kopf.
»Nein, da nicht. Ich bin einfach weiter gefahren. Und weiter. Ich muss ganz nach Norden. Durch die ganze Stadt. Manchmal verpass ich die grüne Welle und dann steht man an jeder Ampel. Ist halt Pech.«
Kojun lächelte freundlich. »Ja, das kenn ich.«
»Und da wurde es mir zu viel. Ich rauche kaum mal eine. Aber wenn ich genervt bin, dann schon. Ich stehe also an der Ampel und taste nach meinen Zigaretten. Die liegen immer auf dem Beifahrersitz. Und da … Da habe ich das dann bemerkt.«
Er verstummte, und Kojun hielt es für besser, das Schweigen nicht zu unterbrechen. Nach einer Minute redete Kesselbacher weiter, allerdings flüsterte er jetzt.
»Ich hab einfach an der nächsten Kreuzung gewendet und bin wieder nach Hause. Ganz langsam. Ich hatte wieder keine grüne Welle.«
Er begann zu weinen. Erst leise, dann verwandelte sich das Wimmern in Schreien und nur ein paar Sekunden später übergab er sich erneut. Kojun wartete geduldig ab, bis der verstörte Riese fertig war.
»Ich habe keine Taschentücher mehr«, knurrte der Fahrer.
»Herr Kesselbacher«, sagte der Polizeipräsident leise. »Finden wir in Ihrem Auto vielleicht Taschentücher?«
»Auf dem Rücksitz«, würgte der Hüne hervor, zusammen mit einer neuerlichen Ladung Mageninhalts. Es war mir schleierhaft, wo er den noch hernahm.
Kojun nickte seinem Fahrer zu, der jedoch keine große Lust zu haben schien, sich Medchenwunders kopflosem Körper zu nähern. Aber Dienst ist Dienst. Er trat — den Blick ins Wageninnere tunlichst vermeidend — an das Auto heran und langte hinter den Vordersitz, um nach einer zerknautschten Kleenex-Packung zu greifen. Der unvollständige Tote sackte zur Seite. Der Fahrer stieß einen Schrei aus und zog
Weitere Kostenlose Bücher