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Der Weg zur Hölle

Der Weg zur Hölle

Titel: Der Weg zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaspar Dornfeld
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Männerstimme, kaum leiser: »Fuck you, bitch!«
    Koss, der direkt neben mir gelandet war, starrte wie hypnotisiert auf das Haus.
    »Ich kenne diese Stimmen …« Langsam ging er auf die Tür zu. Ich packte ihn am Arm, aber er wollte nicht stehen bleiben. Für einen Moment senkte ich meinen Schutzschild und Koss zuckte zusammen, wie von einem Stromschlag getroffen. Er blieb stehen und sah mich wütend an.
    »Ich kenne die Stimmen«, sagte er noch einmal. »Die Frau …« Er stockte und schüttelte den Kopf. »Das ist meine Tochter, oder?«
    Ich seufzte und nickte. »Sie heißt Evelyn.«
    »Evelyn«, wiederholte er leise, als würde er in sich hineinhören, ob der Name etwas auslöst.
    »I kill you!« , drang es aus dem Haus.
    Bevor ich etwas sagen konnte, war Koss losgeprescht und durch die Tür verschwunden.
    Ob ich einfach draußen warten sollte, bis alles vorbei war? Oder wenigstens, bis die Polizei eintraf? Mir war nicht danach, Zeuge eines Gemetzels zu werden. Ich seufzte noch einmal, dann flog ich hinterher.
    Der Anblick, der sich mir bot, war filmreif. Das Haus hatte eine so biedere Inneneinrichtung, wie es sich nur Großstädter mit Lust auf verklärtes Landleben zusammenfantasieren können. Wandtäfelung, Hirschgeweihe, verschnörkelte Holzstühle, ein langer Tisch aus einem halben Baumstamm gearbeitet. Alles in braun gehalten und mittlerweile zersägt. Zumindest in der Hinsicht hatten Hugh Simmons und Evelyn Koss, die sich in einigen Metern Abstand, jeder mit einer Kettensäge bewaffnet, gegenüber standen, ganze Arbeit geleistet. Mit ihrem offensichtlichen Ziel, den jeweils anderen umzubringen, waren sie gottseidank noch nicht weit gekommen. Beide schienen erstaunlicherweise sogar unverletzt zu sein.
    »Du warst es! Du hast meinen Vater umgebracht!«
    Simmons schnaubte.
    »Bullshit!«
    »Du lügst, du Schwein!«
    Die junge Frau rannte auf ihn zu, ließ ihre Säge aufheulen und hieb wie mit einer Keule auf Simmons ein. Der holte seinerseits aus, traf jedoch lediglich ein hässliches, geblümtes Sofakissen, dessen Füllung sich wie ein Schneegestöber im Raum verteilte.
    Beide wichen wieder zurück und Simmons, der sein etwas leichteres Modell mit einer Hand halten konnte, hob die andere.
    »Evelyn, hör zu. Das ist die Wahrheit.«
    Die junge Frau senkte ihre Säge ebenfalls ein wenig. Beide Motoren knatterten jetzt gleichmäßig vor sich hin.
    »Von mir kam die Kohle, dein Vater hat die Familien ausgesucht, die die besten Kunden abgeben würden und Medchenwunder war der Dealer. So einfach war das.«
    »Mein Vater hat sowas nicht gemacht!« Evelyn zitterte vor Empörung.
    »Zuerst nicht ganz freiwillig. Das ist wahr. Nachdem deine Schwester sich umgebracht hat, wollte ich die Sendung einstampfen. Dein Vater war ja zu nichts mehr zu gebrauchen. Aber er hat mich angefleht, ihn weiter machen zu lassen. Und ich hab ja gesagt. Aber nur, wenn wir unsere Geschäftsbeziehung etwas erweitern .«
    »Dann hast du ihn erpresst«, flüsterte die junge Frau.
    »Zuerst schon. Aber irgendwann fand er es geil. Das ganze Geld. Soviel kriegst du beim Fernsehen nicht. Ab da waren ihm die Leute komplett egal.«
    »Das glaub ich dir nicht.«
    Evelyn weinte. Sie drohte jeden Moment zusammenzubrechen.
    »Ich wollte einen Rat, mehr nicht«, sagte sie kleinlaut. »Ich hab den ganzen Drogenscheiß hier im Schuppen gefunden, und ich wollte doch bloß wissen, wie das Zeug hierher kommt. Und wenn das einer wissen kann, dann du. Du warst sein bester Freund! Nur deshalb hab ich dich angerufen.«
    »Dein Vater hatte keine Freunde.«
    Ich hatte keine Ahnung, wie sich Koss fühlte, der die ganze Zeit im Raum gestanden und das Gespräch mit angehört hatte. Schockierten ihn die Enthüllungen über sich, oder war die Erinnerung an sein früheres Leben soweit erloschen, dass es ihm vorkam, als redeten die beiden über jemand anderen? Wie auch immer, einen Akt von Ritterlichkeit ließ er sich nicht nehmen: Als Simmons, Evelyns desolaten Zustand ausnutzend, vorsprang, die Säge am ausgestreckten Arm vor sich, als würde er mit einem Schwert auf seine Gegnerin einrennen, warf sich Koss schützend vor seine Tochter. Völlig sinnlos natürlich, denn das Gerät schnitt durch ihn hindurch wie durch Luft. Doch Evelyn, als hätte sie tatsächlich irgendetwas davon wahrgenommen, riss ebenfalls ihre Säge nach vorn. Sie traf Simmons, bevor er sie erwischen konnte und trennte ihm den linken Fuß kurz oberhalb des Knöchels ab. Hätte ihr Vater noch einen

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