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Der Weg zur Hölle

Der Weg zur Hölle

Titel: Der Weg zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaspar Dornfeld
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abwehrend die Hände und sagte: »Vielleicht können wir ja später …« Weiter kam er nicht.
    »Sie müssen wissen, Herr Oberkommissar, ich wohne im Haus gegenüber, im gleichen Stock.«
    »Das ist sicher interessant, Frau …«
    »Und ich hätte das alles garnicht bemerkt, wenn ich nicht plötzlich losgesungen hätte.«
    »Gesungen?«
    »Genau. Gesungen. So einen alten Kanon. Kennen Sie vielleicht. Bruder Jakob, Bruder Jakob, schläfst du noch …«
    »Ja, kenne ich.«
    »Also, dazu müssen Sie wissen, ich singe sonst nie. Ich ekle mich vor Musik. Meine Mutter liebte Musik. Cello. Sie verstehen.«
    Reemund nickte, sah jedoch aus, als wäre verstehen nicht der richtige Ausdruck.
    »Also: Ich war bloß auf dem Balkon, um den Oleander reinzuholen. Wegen dem Frost. Ganz ehrlich, ich hasse den Oleander. Hat auch meiner Mutter gehört. Jedes Jahr denke ich, Erika, lass den Oleander erfrieren. Aber ich mach es dann doch nicht.«
    »Sie waren beim Singen.« Reemund krallte eine Hand in die Stuhllehne.
    »Ja, wie gesagt: Plötzlich will ich singen, diesen alten Kanon. Es überfällt mich einfach und schon singe ich. Und während ich so singe, denke ich: warum eigentlich? Ich höre auf. Und da höre ich das Geräusch.«
    »Was für ein Geräusch?«
    »Dong. Dong. Dong. Immer wieder. Dong. Dong. Dong. Ich überlege und überlege: Erika, woher kennst du das Geräusch? Und da fällt es mir ein. In der Schule hatte mein Lehrer so ein Metallrohr, und da schlug er immer gegen, damit wir nicht aus dem Takt kommen. Das klang genau so.«
    »In der Schule?«
    »Sag ich doch. Ich schaue mich also um, wo das Geräusch herkommt, und da sehe ich die Aktentasche, drüben. Gegenüber. Und die Schnalle knallt immer gegen das kleine Abflussrohr. Das klingt ganz genau so, wie das Rohr von meinem Musiklehrer. Ja, und dann sehe ich den Kopf. Schrecklich.«
    »Ja, schrecklich. Als Sie ihn entdeckt haben, lag der Kopf noch auf den Blumen?«
    »Wenn man das vertrocknete Gestrüpp Blumen nennen will … Aber wissen Sie: Gewundert hat's mich nicht, den Koss da zu sehen. Also, so zu sehen schon, aber das hat der sich doch selber eingebrockt.«
    »Erklären Sie das«, sagte Reemund schon sehr viel aufmerksamer.
    »Na, nach der Sendung, und was passiert ist?«
    »Ja?«
    »Ach, Sie wissen das garnicht? Der Koss hat doch eine Sendung über den Meyer und seine Familie gemacht.«
    »Familie?«, fragte Frau Schilling.
    »Ja. Über ihn, seine Frau und die Tochter. Tagelang sind sie hier rumgelaufen, die Fernsehleute. Sie müssen wissen, ich gucke sowas ja nicht, aber ich bin Krankenschwester in der Psychiatrie und da läuft eigentlich immer der Fernseher für die hoffnungslosen Fälle und wenn wir uns langweilen. Und ich weiß natürlich, wer der Koss ist. Ich hab mir immer gedacht: Der ist kein guter Psychologe. Zu hübsch. Da weiß der doch garnicht, wie Leid geht! Ich kenne ja viele Psychologen, die sind alle hässlich und haben eine Macke.«
    »Zurück zu der Sendung«, sagte Reemund und trommelte nervös mit den Fingern auf der Stuhllehne herum.
    »Ja, wie gesagt: Die haben sie also gemacht. Das muss so zwei Monate her sein. Und vor zwei Wochen lief das dann. Der Meyer hat ja immer seine Frau verprügelt, wenn er besoffen war. Durch die ganze Straße hat man den brüllen gehört. Und dann sie immer mit den blauen Flecken. Und jedes Mal hat sie erzählt, sie wär irgendwo gegen gestoßen. Das Übliche halt.«
    Sie nickte wissend und die Polizisten taten es ihr nach.
    »Ja, und als die Sendung gelaufen war, war es besonders schlimm. Der hat so gebrüllt, der Meyer, dass ich dachte, diesmal bringt er sie um. Die Mutter und die Tochter haben auch schlimme Sachen über ihn erzählt im Fernsehen. Sowas aus den Leuten rauskriegen, das konnte der Koss gut. Und jetzt war es so laut, dass ich die Polizei rufen wollte, aber da kamen sie dann schon raus. Die Mutter und die Tochter, beide mit Koffer, und jetzt sind sie weg.«
    »Wohin?«
    »Weiß ich nicht. Weg eben. Aber seitdem rennt er immer durch die Straßen und brüllt, dass er den Koss umbringen will und wo seine Familie ist. Jetzt ist er nur noch besoffen.«
    »Vielen Dank, Frau Winkowski«, sagte Wedelbeck. »Sie haben uns sehr geholfen.«
    »Und was kommt jetzt?«
    »Wir werden Ihre Aussage zu Protokoll nehmen, und wenn nötig, werden Sie als Zeugin vor Gericht geladen.«
    »Wirklich?« Die Frau war begeistert.
    »Wirklich. Jetzt geht's aber erstmal nach Hause.«
    Sie wollte protestieren, aber da wurde sie

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