Der Weg zurück
wende ich mich mit Ludwig zur Bahnhofsallee. Ledderhose ist ohne Abschied bereits wie ein Bolzen mit seinem Trödelladen davongeschossen. Tjaden lässt sich von Willy rasch noch den nächsten Weg zum Puff beschreiben, und nur Jupp und Valentin haben Zeit. Sie werden von niemandem erwartet und schlendern deswegen vorläufig zum Wartesaal, um auf Futter zu spekulieren. Später wollen sie zur Kaserne.
Von den Bäumen der Bahnhofsallee tropft die Nässe; Wolken ziehen niedrig und rasch. Ein paar Soldaten jüngsten Jahrgangs kommen uns entgegen. Sie tragen rote Armbinden. »Achselstücke runter!«, schreit einer und springt auf Ludwig zu.
»Halt’s Maul, du Sommerrekrut«, sage ich und schiebe ihn beiseite.
Andere drängen heran und umringen uns. Ludwig sieht den Vordersten ruhig an und geht weiter. Der Mann weicht aus. Dann jedoch erscheinen zwei Matrosen und stürzen sich auf ihn.
»Ihr Schweine, seht ihr denn nicht, dass er verwundet ist?«, brülle ich und werfe meinen Tornister ab, um die Hände besser frei zu kriegen. Aber Ludwig liegt schon am Boden, er ist ja so gut wie wehrlos mit seinem Armschuss. Die Matrosen zerren an seiner Uniform und treten auf ihm herum. »Ein Leutnant!«, kreischt eine Weiberstimme, »schlagt ihn tot, den Bluthund!«
Ehe ich ihm helfen kann, kriege ich einen Schlag ins Gesicht, dass ich taumle. »Satansbiest!«, keuche ich und pflanze dem Angreifer mit voller Kraft meinen Stiefel in den Bauch. Er seufzt und kippt um. Sofort fallen drei andere über mich her. Der Hund springt einem davon ins Genick. Doch die übrigen reißen mich herunter. »Licht aus – Messer raus –«, schreit das Weib.
Zwischen den trampelnden Beinen sehe ich, wie Ludwig mit der freien linken Hand einen Matrosen würgt, den er umwerfen konnte, indem er ihm von unten in die Kniekehlen schlug.
Er lässt nicht los, obschon die andern mächtig auf ihn einhauen. Dann wichst mir jemand ein Koppel auf den Schädel, und ein anderer tritt mir in die Zähne. Wolf schnappt ihn zwar gleich darauf am Knie, aber wir kommen nicht hoch, sie schlagen uns immer wieder herunter und wollen uns zu Brei trampeln. Wütend versuche ich, an meinen Revolver heranzugelangen. Doch im selben Augenblick kracht schon einer meiner Angreifer rücklings neben mir aufs Pflaster. Ein zweiter Krach – ein zweiter Besinnungsloser – gleich darauf ein dritter – da kann nur Willy an der Arbeit sein.
Er ist im Galopp herangestürmt, hat seinen Tornister unterwegs abgeworfen und tobt nun über uns. Je zwei greift er mit seinen Fäusten im Genick und hämmert ihnen die Köpfe zusammen. Sie sind sofort ohnmächtig, denn wenn Willy wild wird, ist er ein lebendiger Schmiedehammer. Wir werden frei, und ich springe auf, aber die anderen reißen schon aus. Es gelingt mir noch, einem meinen Tornister ins Kreuz zu schmettern, dann kümmere ich mich um Ludwig.
Willy ist schon auf der Verfolgung. Er hat gesehen, dass die beiden Matrosen auf Ludwig eingeschlagen haben. Einer von ihnen liegt blau und stöhnend im Rinnstein, den knurrenden Hund über sich, hinter dem Zweiten jagt er mit flatternden Haaren her wie ein roter Orkan.
Ludwigs Verband ist zertreten. Blut quillt hindurch. Sein Gesicht ist verschmiert, die Stirn durch einen Tritt verletzt. Er wischt sich ab und steht langsam auf. »Hast du viel abgekriegt?«, frage ich. Totenblass schüttelt er den Kopf.
Willy hat unterdessen den Matrosen geschnappt und schleift ihn wie einen Sack heran. »Ihr verdammten Säue«, knirscht er, »den ganzen Krieg habt ihr in der Sommerfrische auf euren Schiffen gesessen und keinen Schuss gehört – jetzt aber wollt ihr die Fresse aufreißen und über Frontsoldaten herfallen –, ich will euch helfen! Knie nieder, du Etappenbock! Bitte ihn um Verzeihung!« Er stößt den Mann vor Ludwig herunter und sieht so fürchterlich dabei aus, dass einem tatsächlich bange werden kann. »Ich massakriere dich«, faucht er, »ich reiße dich in Fetzen, runter auf die Knie!«
Der Mann winselt. »Lass doch, Willy«, sagt Ludwig und nimmt seine Sachen auf.
»Was?«, fragt der fassungslos, »bist du verrückt? Wo sie dir den Arm zertrampelt haben?«
Ludwig geht schon weiter. »Ach, lass ihn laufen –«
Einen Augenblick staunt Willy verständnislos über Ludwig; dann lässt er kopfschüttelnd den Matrosen los.
»Na schön, also lauf!« Aber er kann es sich doch nicht versagen, ihm in der Sekunde, wo er absaust, einen Fußtritt nachzufeuern, dass er sich zweimal
Weitere Kostenlose Bücher