Der Weg zurück
überschlägt.
Wir gehen weiter. Willy schimpft, denn er muss reden, wenn er wütend ist. Ludwig aber schweigt.
Plötzlich sehen wir von der Ecke der Bierstraße den Trupp der Weggelaufenen wieder anrücken. Sie haben Verstärkung geholt. Willy nimmt seine Knarre herunter. »Laden und sichern«, sagt er, und seine Augen werden klein. Ludwig zieht seinen Revolver hervor, und ich mache mein Gewehr ebenfalls schussfertig. Bislang war das Ganze eine Keilerei, aber jetzt wird es Ernst. Zum zweiten Male lassen wir uns nicht anfallen.
Wir verteilen uns auf der Straße in einem Abstand von drei Schritt, damit wir kein geschlossenes Ziel bilden, und gehen vor. Der Hund merkt sofort, was los ist. Knurrend drückt er sich neben uns in den Rinnstein, denn er hat im Felde gelernt, unter Deckung vorwärtszuschleichen.
»Wenn wir auf zwanzig Meter ran sind, schießen wir«, ruft Willy drohend.
Der Haufen vor uns wird unruhig. Wir gehen weiter. Gewehre heben sich gegen uns. Willy legt knackend den Sicherungsflügel herum und holt eine Handgranate vom Koppel, die er als eisernen Bestand immer noch bei sich hat. »Ich zähle bis drei –«
Da löst sich aus dem Trupp ein älterer Mann mit einem Unteroffiziersrock, an dem die Tressen fehlen. Er tritt vor uns und ruft: »Sind wir Kameraden oder nicht?« Willy muss erst Luft holen, so verblüfft ist er. »Verdammt, das fragen wir euch, ihr feigen Kälber«, entgegnet er entrüstet, »wer hat denn hier angefangen, über Verwundete herzufallen?«
Der andere stutzt. »Habt ihr das gemacht?«, fragt er zurück.
»Er wollte die Achselstücke nicht runternehmen«, sagt einer aus dem Haufen.
Der Mann macht eine ärgerliche Bewegung. Dann wendet er sich uns wieder zu. »Das hätten sie nicht machen sollen, Kameraden. Aber ihr scheint gar nicht zu wissen, was los ist. Wo kommt ihr denn eigentlich her?«
»Von der Front, woher sonst?«, schnaubt Willy.
»Und wohin wollt ihr?«
»Dahin, wo ihr den ganzen Krieg gewesen seid: nach Hause.«
»Kamerad«, der Mann hebt einen leeren Ärmel hoch, »das habe ich nicht zu Hause verloren.«
»Umso schlimmer«, erklärt Willy ungerührt, »dann solltest du dich schämen, mit solchen nachgemachten Soldaten zusammen zu sein!«
Der Unteroffizier kommt näher. »Es ist Revolution«, sagt er ruhig, »und wer nicht für uns ist, der ist gegen uns!«
Willy lacht. »Schöne Revolution, mit deinem Verein der Achselklappenabreißer da! Wenn ihr nicht mehr wollt …« Er spuckt verächtlich aus.
»Doch!«, sagt der Einarmige und geht jetzt rasch auf ihn zu, »wir wollen mehr! Schluss mit dem Krieg, Schluss mit der Verhetzung! Schluss mit dem Mord! Wir wollen wieder Menschen werden und keine Kriegsmaschinen!« Willy lässt die Handgranate sinken. »Dafür war das ja ein feiner Anfang«, sagt er und deutet auf Ludwigs zertretenen Verband. Dann geht er mit ein paar Sprüngen auf den Trupp los. »Macht, dass ihr nach Hause kommt, ihr Säuglinge!«, brüllt er in den zurückweichenden Haufen. »Menschen wollt ihr werden? Ihr seid ja noch nicht mal Soldaten! Wenn man sieht, wie ihr eure Gewehre anfasst, kann man Angst kriegen, dass ihr euch die Hände brecht!«
Der Schwarm verläuft sich. Willy macht kehrt und baut sich vor dem Unteroffizier auf. »So, jetzt will ich dir mal was sagen! Wir haben den Kram genauso satt wie ihr, und Schluss werden muss einmal damit, das ist klar! Aber nicht so! Wenn wir was machen, dann tun wir es selbst, aber vorschreiben lassen wir uns noch lange nichts. Und nun sperr deine Augen mal ganz weit auf!«
Er reißt sich mit zwei Griffen die Achselklappen ab. »Das mache ich, weil ich es will, und nicht, weil ihr es wollt! Das ist meine Sache. Der da aber –«, er zeigt auf Ludwig hinüber, »ist unser Leutnant, und er behält sie, und wehe dem, der was dazu sagt.«
Der Einarmige nickt. In seinem Gesicht arbeitet es. »Ich war doch auch draußen, Mensch«, stößt er hervor, »ich weiß doch auch Bescheid! Hier –«, er weist erregt seinen Stumpf vor. »Zwanzigste I.D., Verdun!«
»Waren wir auch«, sagt Willy lakonisch, »dann also – Mahlzeit!«
Er lupft seinen Tornister an und hängt die Knarre um. Wir marschieren weiter. Aber als Ludwig an ihm vorübergeht, nimmt der Unteroffizier mit der roten Armbinde plötzlich die Hand an die Mütze, und wir verstehen, was er will: er grüßt nicht die Uniform und nicht den Krieg – er grüßt den Kameraden von draußen.
Willys Wohnung ist am nächsten. Gerührt winkt er zu dem
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