Der Weg zurück
rote Leuchten im Nebel, die Jugendtage vor der Uniform und vor den Gräben.
»Adele! –«
Sie sieht sich um. »Ernst! – bist du wieder da?«
Wir gehen nebeneinander. Der Nebel fließt zwischen uns hindurch, Wolf umspringt uns und bellt, die Straßenbahnen klingeln, und die Welt ist warm und weich. Das Gefühl ist wieder da, voll, zitternd, schwebend, die Jahre sind weggewischt, ein Bogen schwingt ins Früher hinüber, ein Regenbogen, eine helle Brücke durch den Nebel.
Ich weiß nicht, wovon wir reden, es ist ja auch gleichgültig, die Hauptsache ist, dass wir nebeneinander hergehen und dass diese sanfte, unhörbare Musik von früher wieder da ist, diese Kaskaden aus Ahnung und Sehnsucht, hinter denen seidig das Grün von Wiesen schimmert, hinter denen das silberne Rauschen der Pappeln singt und der weiche Horizont der Jugend dämmert.
Sind wir lange gegangen? Ich weiß es nicht. Ich laufe allein zurück, Adele hat sich verabschiedet, aber wie eine große, bunte Fahne weht die Freude in mir, Hoffnung und Fülle, mein kleines Knabenzimmer, die grünen Türme und die große Weite.
Während ich zurücklaufe, stoße ich auf Willy, und wir gehen zusammen weiter, um Valentin zu suchen. Wir erreichen ihn, wie er gerade mit allen Anzeichen der Freude auf einen Mann losstürzt und ihn kräftig auf die Schulter haut. »Mensch. Kuckhoff, altes Haus, wo kommst du denn her?« Er hält dem andern die Hand hin: »Das ist ja ein Zufall, was? So trifft man sich wieder.« Der andere sieht ihn abschätzend eine Weile an.
»Ah, Laher, nicht wahr?«
»Klar, Mann, du warst doch mit mir an der Somme. Weißt du noch, wie wir da mitten im Mist die Pfannkuchen fraßen, die Lilly mir geschickt hatte? Georg hat sie uns noch mit der Post nach vorn gebracht. War ein verdammt riskiertes Stück von ihm damals, was?«
»Ja, gewiss«, sagt der andere.
Valentin ist ganz aufgeregt vor Erinnerungen. »Später hat er dann ja auch richtig eins abgekriegt«, erzählt der weiter, »da warst du aber schon weg. Dabei ist ihm der rechte Arm flöten gegangen. Auch nicht leicht für einen Kutscher wie für ihn. Wird nun wohl was anderes machen müssen. Wo bist du eigentlich geblieben nachher?«
Der andere gibt eine unbestimmte Antwort. Dann sagt er: »Nett, sich getroffen zu haben. Wie geht es Ihnen denn, Laher?«
»Was?«, gibt Valentin verblüfft zurück.
»Wie es Ihnen geht? Was machen Sie?«
»Sie?« Valentin hat sich noch nicht erholt. Einen Moment starrt er den andern an, der in elegantem Covercoat vor ihm steht. Dann sieht er an sich herunter, wird glührot und schiebt weiter. »Affe!«
Mir ist peinlich zumute für Valentin. Zum ersten Male wahrscheinlich hat ihn der Gedanke des Unterschieds getroffen. Bislang waren wir alle Soldaten. Jetzt haut ihm so ein eingebildeter Bursche mit einem einzigen »Sie« seine Unbefangenheit in Fetzen.
»Lass man, Valentin«, sage ich, »so was ist stolz darauf, was sein Vater verdient hat. Auch ein Beruf.«
Willy fügt ebenfalls ein paar kräftige Brocken hinzu.
»Schöne Kameraden, das«, sagt Valentin schließlich verbissen – aber damit ist er den Geschmack nicht los. Es würgt weiter in ihm.
Zum Glück treffen wir Tjaden. Er sieht grau aus wie ein Wischlappen. »Du, hör mal«, sagt Willy, »der Krieg ist vorbei, jetzt könntest du dich wahrhaftig mal waschen.«
»Heute noch nicht«, erklärt Tjaden wichtig, »aber Sonnabend. Dann will ich sogar baden.«
Wir fahren zurück. Tjaden baden? Sollte er doch von der Verschüttung im August etwas behalten haben? Willy hebt zweifelnd die Hand ans Ohr. »Ich glaube, ich habe dich eben nicht richtig verstanden. Was willst du am Sonnabend tun?«
»Baden«, sagt Tjaden stolz. »Sonnabend Abend verlobe ich mich nämlich.«
Willy sieht ihn an wie einen seltenen Papagei. Dann legt er ihm sanft die Pfote auf die Schulter und fragt väterlich: »Sag mal, Tjaden, hast du nicht manchmal Stiche im Hinterkopf? Oder so ein komisches Sausen in den Ohren?«
»Nur wenn ich Kohldampf habe«, gesteht Tjaden, »dann hab ich außerdem noch Trommelfeuer im Magen. Ein gemeines Gefühl. Doch, um wieder auf meine Braut zu kommen: Schön ist sie nicht, sie hat zwei linke Füße und schielt etwas; aber dafür hat sie Gemüt, und ihr Vater ist Schlächter.«
Schlächter. Uns geht ein Licht auf. Tjaden gibt bereitwillig weitere Auskunft. »Sie ist ganz wild auf mich. Na, und heute heißt es rasch zufassen. Die Zeiten sind schlecht, da muss man Opfer bringen. Ein Schlächter
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