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Der Weg zurück

Der Weg zurück

Titel: Der Weg zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.M. Remarque
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die Eier verzichten, aber sie bettelt um ihren Speck. »Wenigstens den Speck. Was soll ich denn bloß sagen, wenn ich nach Hause komme? Es ist doch für meine Kinder.«
    »Wenden Sie sich ans Lebensmittelamt um Zusatzkarten«, knurrt der Gendarm, »so was ist nicht unsere Sache. Der Nächste.« Die Frau stolpert beiseite, erbricht sich und schreit: »Dafür ist nun mein Mann gefallen, dass meine Kinder verhungern.«
    Ein junges Mädchen, das als Nächstes dran ist, stopft, frisst, würgt seine Butter herunter, der Mund ist fettverschmiert, die Augen glupschen, sie würgt und schlingt, so hat sie wenigstens etwas davon, ehe sie es ihr wegnehmen. Wenig genug – ihr wird nachher schlecht werden, und Durchfall wird sie kriegen.
    »Der Nächste.« Niemand rührt sich. Der Gendarm, der gebückt steht, ruft noch mal: »Der Nächste.« Ärgerlich richtet er sich auf und blickt in Willys Augen. Bedeutend ruhiger fragt er: »Sind Sie der Nächste?«
    »Ich bin gar nichts«, antwortet Willy unfreundlich.
    »Was haben Sie in dem Paket?«
    »Einen halben Schweinskopf«, erklärt Willy offen.
    »Den müssen Sie abgeben.«
    Willy rührt sich nicht. Der Gendarm zögert und wirft einen Blick auf seinen Kollegen. Der stellt sich neben ihn. Das ist ein schwerer Fehler. Beide scheinen in solchen Sachen wenig Erfahrung zu haben und keinen Widerstand gewöhnt zu sein; denn der Zweite hätte längst sehen müssen, dass wir zusammengehören, obschon wir nicht miteinander gesprochen haben. Deshalb hätte er sich abseits halten müssen, um uns mit seiner Waffe zu beherrschen. Allerdings hätten wir uns nicht viel darum gekümmert – was ist schon ein Revolver! Stattdessen stellt er sich dicht neben seinen Kollegen, für den Fall, dass Willy rabiat wird. Die Folgen zeigen sich sofort. Willy gibt nämlich den Schweinskopf ab. Der erstaunte Gendarm nimmt ihn entgegen und ist dadurch so gut wie wehrlos, denn er hat beide Hände voll. Im gleichen Augenblick schlägt Willy ihm in aller Ruhe gegen das Maul, dass er umfällt. Ehe der Zweite sich regen kann, stößt Kosole ihm mit Wucht seinen harten Schädel gegen die Kinnladen, und Valentin ist ihm im Rücken und presst ihm von hinten den Schlund so zu, dass er den Schnabel weit aufreißt, Kosole stopft rasch eine Zeitung hinein. Beide Gendarmen gurgeln, schlucken, spucken, aber es hilft nichts, sie haben Papier im Hals, die Arme werden ihnen rückwärts gedreht und mit ihren eigenen Riemen festgeknotet. Das ist rasch gegangen – aber jetzt wohin mit ihnen?
    Albert weiß es, er hat fünfzig Schritt weiter ein einsames Häuschen entdeckt, in dessen Tür ein Herz geschnitten ist: den Lokus.
    Im Galopp geht es dahin. Beide werden hineingesteckt. Die Tür ist aus Eiche, die Riegel sind breit und fest, es wird eine gute Stunde dauern, bis sie wieder raus sind. Kosole ist anständig. Er stellt ihnen sogar ihre Fahrräder vor die Tür.
    Die anderen Hamsterer haben gänzlich verschüchtert zugesehen. »Schnappt euch eure Sachen«, grinst Ferdinand. In der Ferne pfeift bereits der Zug. Sie blicken uns scheu an und lassen es sich nicht zweimal sagen. Aber eine alte Frau ist völlig verbiestert. »O Gott«, jammert sie, »die Gendarmen haben sie verprügelt – das Unglück – das Unglück!«
    Sie hält das scheinbar für ein todeswürdiges Verbrechen. Die andern sind ebenfalls etwas verstört darüber. Die Angst vor Uniform und Polizei sitzt ihnen zu fest in den Knochen.
    Willy grinst. »Heul nicht, Muttchen – und wenn die ganze Regierung dastände, wir ließen uns nichts wegnehmen! Altes Militär und Fressalien abgeben, das wäre was!«
    Ein Glück, dass so viele Dorfbahnhöfe weit abseits der Häuser liegen. Niemand hat was gemerkt. Der Stationsbeamte kommt jetzt erst aus seinem Zimmer, gähnt und kratzt sich den Schädel. Wir marschieren zur Sperre. Willy hat den Schweinskopf unter dem Arm. »Ich dich abgeben!«, murmelt er und streichelt ihn liebevoll.
    Der Zug fährt ab. Wir winken aus dem Fenster. Der Stationsbeamte glaubt, das gälte ihm, und grüßt. Aber wir meinen den Lokus. Willy lehnt sich weit hinaus und beobachtet die rote Mütze des Vorstehers.
    »Er geht wieder in seine Bude«, verkündet er triumphierend. »Dann können die Gendarmen noch lange arbeiten.«
    Die Spannung fällt von den Gesichtern der Hamsterer. Sie wagen wieder zu reden. Die Frau mit dem Speck lacht mit Tränen in den Augen, so dankbar ist sie. Nur das Mädchen, das die Butter gefressen hat, heult erbärmlich. Es war zu

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