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Der Weg zurück

Der Weg zurück

Titel: Der Weg zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.M. Remarque
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verstehen allmählich: sie will tauschen, nicht verkaufen.
    »Nein, Seide haben wir nicht«, sage ich, »aber wir wollen gern gut bezahlen.«
    Sie wehrt ab. »Ach, Geld, Drecklappen. Ist ja jeden Tag weniger wert.« Sie schlurft weg. An ihrer knallroten Seidenbluse fehlen hinten zwei Knöpfe.
    »Können wir wenigstens etwas Wasser haben?«, ruft Albert hinterher. Missmutig kehrt sie um und stellt uns einen Becher voll hin.
    »Na, los, ich hab keine Zeit zum Rumstehen«, knört sie. »Solltet auch lieber arbeiten als andern Leuten die Zeit stehlen.«
    Albert nimmt den Becher und schmeißt ihn auf den Boden. Er kann vor Wut nicht reden. Dafür rede ich. »Krebs sollst du kriegen, alte Schlampe«, brülle ich. Aber jetzt dreht das Weib sich um und legt los wie eine Blechschmiede in vollem Betrieb. Wir flüchten. So was hält der stärkste Mann nicht aus.
    Wir marschieren weiter. Unterwegs treffen wir ganze Schwärme von Hamsterern. Wie ausgehungerte Wespen um ein Stück Pflaumenkuchen, so kreisen sie um die Gehöfte. Wir begreifen jetzt, dass die Bauern dabei verrückt und grob werden können. Aber wir gehen trotzdem weiter, werden rausgeschmissen oder erwischen etwas, werden von anderen Hamsterern beschimpft und schimpfen wieder.
    Nachmittags treffen wir uns alle in der Kneipe. Die Ausbeute ist nicht groß. Ein paar Pfund Kartoffeln, etwas Mehl, einige Eier, Äpfel, etwas Kohl und Fleisch. Nur Willy schwitzt. Er kommt als Letzter und schleppt einen halben Schweinskopf unterm Arm. Ein paar andere Pakete ragen ihm aus den Taschen. Dafür hat er allerdings keinen Mantel mehr an. Er hat ihn eingetauscht, denn er hat noch einen von Karl zu Hause und meint, es müsse zudem ja irgendwann mal Frühling werden.
    Wir haben noch zwei Stunden Zeit, bis der Zug fährt. Sie bringen mir Glück. In der Wirtsstube steht nämlich ein Klavier, auf dem ich das »Gebet einer Jungfrau« mit vollen Pedalen hinlege. Darüber erscheint die Wirtin. Sie hört eine Zeit lang zu, dann zwinkert sie mir zu, ich solle herauskommen. Ich drücke mich in den Flur und sie erklärt mir, sie sei Musikfreundin, leider werde bei ihr aber nur selten gespielt. Ob ich nicht wiederkommen wolle. Dabei überreicht sie mir ein halbes Pfund Butter und erklärt, das sei öfter zu haben. Ich bin natürlich einverstanden und verpflichte mich, dafür jedes Mal zwei Stunden zu spielen. Als nächste Leistung gebe ich das »Heidegrab« und »Stolzenfels am Rhein« zum Besten.
    Dann brechen wir auf zum Bahnhof. Unterwegs begegnen wir vielen anderen Hamsterern, die mit demselben Zuge fahren wollen. Alle haben Angst vor den Gendarmen. Ein ganzer Trupp ist schließlich zusammen und wartet ein Stück vom Bahnhof entfernt, in einer Ecke im windigen Dunkel versteckt, um sich nicht sehen zu lassen, bevor der Zug kommt. Dann ist weniger Gefahr. Aber wir haben Pech. Plötzlich stehen zwei Gendarmen mit Fahrrädern da. Sie sind lautlos von hinten herumgefahren.
    »Halt, alles stehen bleiben!«
    Fürchterliche Aufregung. Bitten und Flehen. »Lassen Sie uns doch laufen, wir müssen zum Zuge.«
    »Der Zug kommt erst in einer Viertelstunde«, erklärt der Dickere der beiden ungerührt. »Alles hier heran!« Er zeigt auf eine Laterne, da können sie besser sehen. Einer passt auf, dass niemand auskneift, der andere kontrolliert. Es sind fast nur Frauen, Kinder und alte Leute; die meisten stehen schweigend und ergeben da – sie sind gewohnt, so behandelt zu werden, und an das Glück, ein halbes Pfund Butter tatsächlich mit nach Hause durchzuschmuggeln, haben sie doch nie ganz zu glauben gewagt. Ich sehe mir die Gendarmen an; sie stehen genauso dicknäsig und überlegen da mit ihren grünen Uniformen, ihren roten Gesichtern, ihren Säbeln und ihren Revolvertaschen wie früher die im Felde. Macht, denke ich, immer wieder Macht, und seien es drei Zentimeter, die verhärtet.
    Einer Frau werden ein paar Eier weggenommen. Als sie schon wegschleicht, ruft der Dickere sie zurück. »Halt, was haben Sie da?« Er zeigt auf den Rock. »Raus damit!« Sie versteinert und sinkt zusammen. »Wird’s bald!« Sie gibt unter dem Rock ein Stück Speck her. Er legt es beiseite. »Hätte Ihnen wohl so gepasst, was?« Sie begreift es immer noch nicht und will wieder danach greifen. »Ich hab’s doch bezahlt – mein ganzes Geld hat es gekostet!«
    Er schiebt ihre Hand weg und holt einer anderen Frau schon ein Stück Wurst aus der Bluse. »Hamstern ist verboten, das wissen Sie doch selbst.«
    Die Frau will auf

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