Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Weg zurück

Der Weg zurück

Titel: Der Weg zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.M. Remarque
Vom Netzwerk:
voreilig. Außerdem wird ihm schon schlecht. Da zeigt sich Kosole. Er gibt ihr von seiner Wurst die Hälfte ab. Sie steckt sie in die Strümpfe. Zur Vorsicht steigen wir eine Station vor der Stadt aus und laufen über die Felder, um die Straße zu erreichen. Wir wollen das letzte Stück zu Fuß machen. Aber wir treffen ein Lastauto mit Kannen. Der Chauffeur hat einen Militärmantel an. Er lässt uns mitfahren. So sausen wir durch den Abend. Die Sterne funkeln. Wir hocken beieinander, und aus unseren Paketen riecht es angenehm nach Schwein.
II
    Die Große Straße liegt in nassem, silbrigem Abendnebel. Die Laternen haben große, gelbe Höfe. Die Menschen gehen auf Watte. Geheimnisvolle Feuer sind rechts und links die Schaufenster. Wolf schwimmt heran und taucht wieder unter. Die Bäume glänzen schwarz und feucht neben den Laternen.
    Valentin Laher ist bei mir. Er klagt nicht gerade, aber er kann seinen Reckakt nicht vergessen, mit dem er in Paris und Budapest aufgetreten ist. »Damit ist Schluss, Ernst«, sagt er, »die Knochen knacken, und Rheumatismus habe ich auch. Ich habe probiert und probiert bis zum Umfallen. Es hat keinen Zweck mehr, dass ich anfange.«
    »Was willst du denn machen, Valentin?«, frage ich, »eigentlich müsste der Staat dir doch ebenso eine Pension geben wie den verabschiedeten Offizieren.«
    »Ach der Staat, der Staat«, antwortet Valentin wegwerfend, »der gibt nur denen was, die das Maul ordentlich aufreißen. Ich bin jetzt dabei, mit einer Tänzerin ein paar Sachen einzustudieren, eine Schaunummer, weißt du. Das sieht fürs Publikum gut aus, ist aber nicht viel, und ein ordentlicher Artist müsste sich eigentlich schämen, so was zu machen. Doch was willst du tun, du musst leben.«
    Valentin will zur Probe, und ich entschließe mich, mitzugehen. An der Ecke der Hamkenstraße trudelt eine schwarze Melone durch den Nebel an uns vorbei, darunter ein kanariengelber Gummimantel und eine Aktenmappe. »Arthur –«, rufe ich.
    Ledderhose stoppt. »Donnerschlag«, sagt Valentin, »du hast dich aber rausgemacht.« Kennerhaft befühlt er den Schlips Arthurs, ein prächtiges, kunstseidenes Stück mit lila Ornamenten.
    »Macht sich, macht sich«, meint Ledderhose geschmeichelt und eilig.
    »Und der schöne Schabbesdeckel«, staunt Valentin erneut und betrachtet die Melone.
    Ledderhose will weiter. Er klopft auf seine Aktentasche. »Zu tun, zu tun. –«
    »Hast du denn deinen Zigarrenladen nicht mehr?«, frage ich.
    »Doch«, erwidert er, »aber ich mache jetzt nur noch en gros. Wisst ihr keine Büroräume? Ich zahle jeden Preis.«
    »Büroräume wissen wir nicht«, sagt Valentin, »so weit haben wir es noch nicht gebracht. Aber was macht deine Frau?«
    »Wieso?«, fragt Ledderhose reserviert.
    »Na, du hast doch damals im Graben genug darüber gejammert. Sie war dir zu mager geworden, und du bist ja nun mal für das Stramme.«
    Arthur schüttelt den Kopf. »Kann mich nicht mehr daran erinnern.« Er verschwindet.
    Valentin lacht. »Wie sich die Leute verändern können, Ernst, was? Im Schützengraben war er ein Jammerwurm, und jetzt ist er ein flotter Geschäftsmann. Was hat der Kerl draußen geschweinigelt! Und jetzt will er nichts mehr davon wissen.«
    »Aber es scheint ihm verdammt gut zu gehen«, sage ich nachdenklich.
    Wir bummeln weiter. Der Nebel schwimmt. Wolf spielt mit ihm. Gesichter kommen heran und gehen. Im weißhellen Licht sehe ich plötzlich einen glänzenden, roten Hut aus Lackleder, darunter ein Gesicht, das zart beschlagen ist von Feuchtigkeit und dessen Augen dadurch umso mehr glänzen.
    Ich bleibe stehen. Mein Herz schlägt heftig. Das war Adele. Jäh steigt die Erinnerung auf an vergangene Abende, wo wir Sechzehnjährigen uns im Halbdunkel vor den Türen der Turnhalle versteckten und warteten, bis die Mädchen in ihren weißen Sweatern herauskamen, um dann hinter ihnen her zu rennen durch die Straßen, sie einzuholen und heftig atmend unter einer Laterne vor ihnen zu stehen, schweigend, sie anstarrend – bis sie sich losrissen und die Jagd weiterging – an Nachmittage, wo man sie einmal irgendwo sah, immer ein paar Schritte hinter ihnen, viel zu verlegen, um sie anzusprechen, und nur, wenn sie in ein Haus gingen, rasch allen Mut zusammennehmend, um auf Wiedersehen zu rufen und wegzulaufen. –
    Valentin sieht sich um. »Ich muss mal eben zurück«, sage ich hastig, »ich muss mit jemand sprechen. Bin gleich wieder da.« Und ich laufe zurück, um den roten Hut zu suchen, das

Weitere Kostenlose Bücher