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Der Weg zurück

Der Weg zurück

Titel: Der Weg zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.M. Remarque
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ist die erste Regimentszusammenkunft, seit wir aus dem Krieg zurück sind. Alle Kameraden sind eingeladen. Es soll eine große Feier geben. Karl, Albert, Jupp und ich sind eine Stunde zu früh da. Wir können es kaum erwarten, die alten Gesichter wiederzusehen.
    Einstweilen hocken wir im Gastzimmer neben dem großen Saal und warten auf Willy und die anderen.
    Gerade wollen wir eine Runde Steinhäger ausknobeln, da geht die Tür auf und Ferdinand Kosole tritt ein. Uns fallen die Würfel aus der Hand, so verblüfft sind wir über seinen Anblick. Er ist in Zivil.
    Bislang hat er, wie wir fast alle, immer noch seine alte Uniform weitergetragen; heute aber, zur Feier des Tages, ist er zum ersten Mal in Zivil erschienen und steht jetzt da in einem blauen Überzieher mit Samtkragen, einen grünen Hut auf dem Schädel und einen Stehkragen mit Schlips um den Hals. Er ist ein ganz anderer Mensch damit geworden.
    Wir haben uns von unserem Staunen noch nicht erholt, da erscheint Tjaden. Auch er zum ersten Male in Zivil – in einem gestreiften Jackett, mit gelben Halbschuhen und einem Spazierstock mit versilberter Krücke. Mit hocherhobenem Kopf stolziert er durch den Raum. Als er auf Kosole stößt, stutzt er. Kosole stutzt ebenfalls. Beide haben sich nie anders als in Uniform gesehen. Sie mustern sich noch eine Sekunde. Dann brüllen sie vor Lachen: Jeder findet den andern blödsinnig komisch in Zivil.
    »Mensch, Ferdinand, ich habe immer gedacht, du wärst ein feiner Mann«, grinst Tjaden.
    »Wieso?«, fragt der und hört auf zu lachen.
    »Na, hier«, Tjaden zeigt auf Kosoles Überzieher, »das sieht man ja, der ist doch beim Lumpensammler gekauft.«
    »Ochse«, knurrt Ferdinand wütend und wendet sich ab – aber ich sehe, wie er langsam errötet. Ich traue meinen Augen nicht; er wird tatsächlich verlegen, und als er sich unbeobachtet glaubt, betrachtet er verstohlen den verspotteten Mantel. Bei seiner Uniform hätte er sich nie darum gekümmert – doch jetzt putzt er wahrhaftig mit dem abgeschabten Ärmel ein paar Flecken weg und sieht dann lange zu Karl Bröger hinüber, der einen erstklassigen neuen Anzug trägt. Er weiß nicht, dass ich ihn beobachtet habe. Nach einer Weile fragt er mich: »Was ist eigentlich Karls Vater?«
    »Amtsrichter«, antworte ich.
    »So, Amtsrichter«, wiederholt er nachdenklich. »Und Ludwig seiner?«
    »Steuersekretär.«
    Er schweigt eine Zeit lang. Dann sagt er: »Na, da werdet ihr ja wohl bald mit uns nichts mehr zu tun haben wollen. –«
    »Du bist verrückt, Ferdinand«, entgegne ich. Er zuckt zweifelnd die Achseln. Ich wundere mich immer mehr. Er sieht nicht nur verändert aus mit diesen verdammten Zivilbrocken, sondern er hat sich auch wirklich verändert. Bisher scherte er sich einen Dreck um so was; jetzt aber zieht er sogar den Mantel aus und hängt ihn in die dunkelste Ecke des Lokals.
    »Zu heiß hier«, sagt er ärgerlich, als er sieht, dass ich ihn beobachte. Ich nicke. Nach einer Weile fragt er verdrossen:
    »Und dein Vater?«
    »Buchbinder«, erwidere ich.
    »Tatsächlich?« Er belebt sich. »Und Albert seiner?«
    »Der ist tot. Er war Schlosser.«
    »Schlosser«, wiederholt er erfreut, als wäre das so viel wie Papst. »Schlosser, das ist ja großartig. Ich bin Dreher. Da wären wir ja direkt Kollegen gewesen.«
    »Das wärt ihr«, sage ich.
    Ich sehe, wie das Blut des Militär-Kosole in den Zivil-Kosole zurückströmt. Er kriegt wieder Farbe und Kraft.
    »Wäre sonst auch schade gewesen«, versichert er mir eindringlich, und als Tjaden gerade vorüberkommt und eine neue Grimasse zieht, gibt er ihm wortlos einen wunderbar gezielten Tritt, ohne dabei aufzustehen. Er ist wieder der Alte.
    Die Tür zum großen Saal beginnt zu klappen. Die ersten Kameraden kommen. Wir gehen hinein. Der leere Raum mit den Papiergirlanden und den unbesetzten Tischen macht noch einen unbehaglichen Eindruck. In den Ecken stehen einige Gruppen herum. Ich entdecke Julius Weddekamp in seiner verschossenen Militärjoppe und stoße rasch ein paar Stühle beiseite, um ihn zu begrüßen.
    »Wie geht’s, Julius?«, frage ich, »weißt du auch noch, dass du mir ein Mahagonikreuz schuldig bist? Du wolltest es mir aus einem Klavierdeckel tischlern damals! Leg’s gut zurück, alter Schwede.«
    »Ich hätte es selbst schon brauchen können, Ernst«, antwortet er trübe, »meine Frau ist gestorben.«
    »Verdammt, Julius«, sage ich, »was hat sie denn gehabt?«
    Er zuckt die Achseln. »Hat sich wohl

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