Der Weihnachtspullover
Während Großmutter mit Mrs. Ashton plauderte, öffnete Taylor die Beifahrertür und half mir, den Seesack in den Wagen zu laden.
Ich hatte das Gefühl, endlich entkommen zu sein.
Mr. Ashton war wieder einmal auf einer kurzen Geschäftsreise, und so widmeten Taylor und ich unsere ganze Aufmerksamkeit seiner Mutter und behandelten sie wie eine Königin. Wir machten ihr Frühstück, brachten den Abfall nach draußen, saugten sogar unaufgefordert die Teppiche und erledigten den Abwasch.
Währenddessen beobachteten wir sie mit Argusaugen und warteten, bis sie besonders gute Laune hatte. Der richtige Moment kam zwei Tage später, und zwar – nicht gerade überraschend – gegen vier Uhr nachmittags. Mrs. Ashton saß mit einem Lächeln auf dem Gesicht und einem Kristallglas in der Hand vor dem Fernseher, als wir uns ihr näherten.
»Mom«, begann Taylor, »Eddie und ich würden gern mal etwas mit dir bereden.«
»Dann schießt mal los«, erwiderte sie, ohne dabei die Augen vom Bildschirm zu nehmen. »Worum geht es denn?«
Taylor sah mich an. Die Bühne gehörte mir. Ich konnte schon gar nicht mehr zählen, wie viele Male ich die Worte geprobt hatte, die ich nun sagte. Ich bemühte mich, mit möglichst ruhiger und fester Stimme zu sprechen. »Janice«, hob ich an, »meine Großeltern sind unglücklich, und ich bin es auch.«
Sie löste ihren Blick vom Fernseher und wandte sich mir zu. Ich hatte ihre Aufmerksamkeit gewonnen. »Sie sind einfach zu alt, um mich wirklich zu verstehen«, fuhr ich fort. »Außerdem fühle ich mich schlecht, weil Grandma ihre Ruhe und ihren Frieden haben will und ich nur eine Last für die beiden bin.«
»Oh, Eddie, das bist du ganz bestimmt nicht.«
»Doch, Janice, das bin ich, das können Sie mir glauben. Ich habe wirklich alles versucht, aber wir stimmen einfachin nichts mehr überein. Ich glaube, wir wären alle drei glücklicher, wenn ich für eine Weile bei Ihnen hier wohnen könnte. Meine Großeltern hätten kein Problem damit. Sie würden es vielleicht nicht zugeben, aber ich glaube, sie hoffen sogar insgeheim, dass ich Sie frage.« Es fiel mir nicht schwer, ihr die Sache zu verkaufen, weil ich wirklich daran glaubte. Meine emotionale Verbundenheit mit meinen Großeltern hatte durch mein eigenes Tun inzwischen so gelitten, dass ich tatsächlich glaubte, dass sie sich freuen würden, wenn ich fortginge. Sie könnten dann mit ihrem Leben weitermachen und ich mit dem meinen. Außerdem wusste ich, was ich mit meinem Leben anfangen wollte – und auf einer Farm festzusitzen kam dabei nun wirklich nicht vor.
Mrs. Ashton kniff die Augen zusammen. »Nun ja, Eddie, wenn deine Großeltern wirklich damit einverstanden sind, dann bin ich es auch. Aber ich werde erst noch mit Stan darüber reden, wenn er nach Hause kommt.«
Ich nickte und blickte zu Taylor hinüber. Ich musste mich mit aller Kraft beherrschen, um nicht über das ganze Gesicht zu grinsen.
Tag drei nach meinem Weggang von der Farm kam, und ich wusste, dass mein Großvater bald von seinem Ausflugzurückkehren würde. Wenn er herausfand, dass ich mich schon so lange bei den Ashtons aufhielt, würde er anrufen oder – schlimmer noch – auf der Stelle vorbeikommen.
Mr. Ashton war inzwischen zurückgekehrt, und nun standen Taylor und ich vor seinen Eltern im Wohnzimmer. »Eddie«, sagte Mrs. Ashton mit weicher Stimme, »wir haben Verständnis für deine Situation. Wir würden dich gern bei uns aufnehmen, aber es sind noch einige Dinge zu klären. Also vertreibe dir die Zeit mit Taylor, während Stan und ich nach Lösungen suchen.«
»Bist du bereit für einen neuen Bruder?«, fragte ich Taylor selbstgefällig, nachdem seine Eltern das Zimmer verlassen hatten.
Ich freute mich schon eine Ewigkeit auf diesen Moment, der in meinen Träumen immer für den Beginn einer glücklichen Zeit gestanden hatte. Warum nur fühlte ich mich wie an jenem Weihnachtsmorgen, als ich das Päckchen mit dem Pullover geöffnet hatte?
Wir bestehen alle aus zwei Teilen. Da ist der Teil, der denkt, und da ist der Teil, der fühlt.
Das war das Problem. Ich fühlte mich großartig, aber der denkende Teil von mir wusste, dass ich nicht das bekommen würde, was ich erwartete, sondern das, was ich verdiente.
Nach dem Mittagessen ließ Mr. Ashton Taylor und mich wissen, dass wir uns fertig machen sollten, um etwas mit ihm zu erledigen. »Ich muss etwas für deine Mutter im Laden besorgen, Taylor. Was hältst du davon, wenn ihr
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