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Der Wein des Frevels

Der Wein des Frevels

Titel: Der Wein des Frevels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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Eichenregale Faksimiles der Erstausgaben von Über den Ursprung der Arten und Newtons Pricipia enthielten. Francis war nur ein permanenter Gastdozent und wurde in einen konventionellen Raum mit viel zu vielen Fenstern verfrachtet, in dem er sich wohl zu fühlen hatte. Man stellte ihm auch ein Büro zur Verfügung, dessen Ausmaße nach seiner Schätzung zwischen einem großen Vogelbauer und einem kleinen Kaninchenstall schwankten.
    Und so dozierte denn Francis im Entomologiehörsaal 101 über die Nerdeninsekten, hauptsächlich über den Schneekäfer, die Hurenfliege, die Sumpfblattlaus und den Gorgathon, der eigentlich gar kein richtiges Insekt war, aus den gleichen komplizierten Gründen, die auch die Zugehörigkeit der Spinne zur Insektenfamilie in Frage stellten. Er sprach über die Insekten, die man in der Eden Zwei importiert hatte, über Ameisen, Bienen und tausend andere Arten, auch über die Tierchen, die durch Mängel in der Ökologie der Arche eingegangen waren: über die Mantis religiosa, die es wie der Mensch geschafft hatte, den Hang zum Beten mit der Gier nach Beute in Einklang zu bringen, und über die Photuris pennsylvanicay deren Leuchtkraft nun ebenso märchenhaft wirkte wie das Horn des Einhorns. Er dozierte sogar über die Käfer, die auf den Planeten Verne, Arete und Kritonia leben könnten, obwohl man diese Tiere bislang noch nicht entdeckt hatte.
    Francis’ reizvollste Studentin hieß Luli Verdegast. Während das Auditorium gelangweilt aus den Fenstern starrte, starrte Francis interessiert auf Luli. Sie war das hübscheste Wesen, das er außer seinen Motten je gesehen hatte.
    Luli wollte Psychologin werden und erweiterte ihren Horizont, indem sie die Insektenwelt studierte. Francis führte sie ein paarmal zum Dinner aus, und eines Abends, nachdem sie eine halbe Flasche Wein getrunken hatten, bat er sie, seine Frau zu werden. Luli wußte sehr wohl, daß Francis über eine atypische Integrität verfügte, und da außerdem noch hinreißendes Kraushaar sein Haupt zierte, sagte sie schlicht ja.
    Es war keine Ehe, auf deren himmelstürmendes Glück man Wetten abschließen konnte. Luli entpuppte sich als kompromißlose, brillante Frau. Sie war imstande, Honigtöpfe vor einem Bärengericht einzuklagen und trotzdem den Prozeß zu gewinnen. Francis, intelligent und fleißig, aber nicht brillant, wurde sehr bald zum Gegenstand ihrer Verachtung. Sie stritten unablässig, wobei Francis stets die ätzenden Worte fehlten, die Luli regelmäßig einfielen.
    In physischer Hinsicht war sie bei weitem nicht so leidenschaftlich. Ihre Vorstellung von einem angenehmen Aufenthalt im Bett beschränkte sich auf das Frühstück. Trotzdem wurde sie kurz nach dem ersten Hochzeitstag schwanger, was Francis als Panne bezeichnete, und brachte alsbald ein Kind zur Welt, das sie Barry nannte.
    Francis liebte Barrys sommersprossiges Gesicht und seine komische kleine Mickymausstimme. Er ging mit ihm ins Kino, spielte Backgammon mit ihm, wann immer Barry Lust dazu hatte, und kaufte ihm zahllose Spielsachen, unter anderem einen wundervollen Androidenhasen. Barry fand, daß sein Daddy das Größte überhaupt war.
    Als Barry sieben war, traf im Galileo-Institut die Nachricht ein, daß Francis Lostwax’ Sohn bewußtlos auf der Intensivstation des Qualamy Hospitals lag. Francis verließ den Entomologiehörsaal 101 mitten in einem Satz.
    Eine Krankenschwester führte ihn in das letzte Zimmer, das an einem düsteren Korridor lag. Der Raum war ebenso dunkel. Die Gardinen hingen wie nasse Haare an den Fenstern. Barry lag reglos im Bett, an so viele Drähte und Schläuche angeschlossen, daß er wie eine Marionette aussah.
    »Barry, hier ist dein Vater!«
    »Seh«, machte die Schwester. Sie hatte ein dümmliches, unkompliziertes Gesicht, von der Art, wie es die Leute in einen Kreis zu zeichnen pflegen.
    Francis wurde wütend. »Haben Sie vielleicht Angst, daß ich ihn wecken könnte? Barry! Hier ist dein Daddy!« Barry wachte nicht auf.
    Eine vitale, stämmige Frau betrat den trostlosen Raum und stellte sich als Dr. Alexander vor, diagnostizierte, daß sich Barry in einem leicht komatösen Zustand befände, und erkundigte sich nach Francis’ Krankheitsgeschichte. Francis erklärte, er sei schon als Kind Diabetiker gewesen.
    Normalerweise würde man in einer fortgeschrittenen Zivilisation, wie sie auf der Nerde herrschte, eine Kindheitsdiabetes als Anachronismus betrachten. Die Stoffwechsel-Rückkoppelungsverstärker und andere Erfindungen

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