Der weiße Neger Wumbaba kehrt zurueck
ja viel besser ist als Kugeln. Dass das ja auch eine phallische Konstruktion ist, ging mir sehr viel später erst auf.«
In der Tat, eine Wonne verschießende Kanone… Na, die Betschwestern und -brüder sollten lieber nichts davon erfahren, auch nicht von der jauchzenden Röhre, von der Frau von B. aus München in einer Geschichte berichtet, die ihr einst ihr Lebensgefährte, der 1996 verstorbene berühmte Journalist Fritz René Allemann, erzählte. Allemann wuchs in Birsfelden, einem Vorort von Basel, auf. Als Vier- oder Fünfjähriger kam er morgens auf dem Weg zum Kindergarten an einem Bauplatz vorbei, auf dem große Betonröhren gestapelt waren. Es war Weihnachtszeit, im Kindergarten sang man O du fröhliche , darin die Zeilen:
» Himmlische Heere
jauchzen Dir Ehre.«
Allemann aber verstand:
» Himmlische Heere
jauchzende Röhre.«
Die Röhren sah er ja Tag für Tag. »Er erzählte«, schreibt Frau von B., »er habe sich das zwar nicht erklären können, aber andererseits war Weihnachtszeit, und da war von so vielen geheimnisvollen Dingen die Rede, z.B. Engeln, und die sah man auch nicht; warumalso sollten nicht die Röhren jauchzen, nachts natürlich, wenn niemand sie hörte oder sah?«
Wenn es zur Nacht ging, sang man im Pfarrhaushalt, in dem Frau F. aufwuchs, das Abendlied Nun ruhen alle Wälder von Paul Gerhardt, das übrigens zur gleichen Melodie wie Der Mond ist aufgegangen gesungen wird. Da heißt es am Ende:
» Gott lass euch selig schlafen,
Stell euch die güldnen Waffen
Ums Bett und seiner Engel Schar.«
Mit Waffen konnte sie als Pfarrerskind nichts anfangen, wohl aber mit Waffeln, die mit einem Waffeleisen gebacken wurden. »Duftend, knusprig und mit Puderzucker bestreut – so war meine Vorstellung beim Singen und Hören des Liedes: die Waffeln, angeheftet oder angebunden an den Stäben rund um mein Kinderbettchen, bewacht von Engelein, ein sehr schmackhafter und sicherer Gedanke, bei dem es sich sehr gut einschlafen ließ.«
Dazu als Ergänzung ein Weihnachtslied, das kein Kirchenlied ist:
» Morgen kommt der Weihnachtsmann,
kommt mit seiner Gabel.«
Eigentlich heißt es zwar »mit seinen Gaben«, aber die vierjährige Tochter von Frau K. aus Berlin dachte eben, der Weihnachtsmann komme mit einer Gabel in der Hand. (Warum auch nicht? In Erwartung der schönen Waffeln an den Kinderbetten.) Überhaupt hören Kinder nie »Gaben«, immer »Gabel«, sei es Frau G. aus München, die betete: »Jesus, wir danken dir für deine Gabel«. Sei es Frau P. aus dem Westerwald, deren Tochter im Kindergarten sang: »Lieber guter Nikolaus, teile deine Gabeln aus.«
In welcher Weise und wie ausgerüstet das Christuskind in jedes Haus einkehrt – davon ist übrigens in Alle Jahre wieder aufverwirrendste Weise die Rede. Da kommt das Christuskind alle Jahre wieder auf die Erde nieder, wo wir Menschen sind, und dann heißt es: »Kehrt mit seinem Segen / Ein in jedes Haus.«
Weil Kinder auch das Wort »Segen« kaum je kennen, kehrt das Christuskind bei sehr vielen Kindern »mit seiner Säge«, bei anderen »mit seinem Besen«, bei manchen auch »mit seinem Säbel« ein.
Eine hinreißende Geschichte schrieb mir Frau P. aus München, deren Großmutter (bevor sie dann doch heiratete und sechs Kinder gebar) als junge Frau ins Kloster gehen wollte. Als Novizin im Sudetenland kannte sie eine Nonne, die Kinder im Katechismus unterrichtete und ihnen unter anderem das Angelus-Gebet beibrachte, das so beginnt: »Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft, und sie empfing vom Heiligen Geist.« Ein kleines Mädchen betete: »Der Engel des Herrn brachte Maria die Potscher und sieben Pfennig vom Heiligen Geist.« Wenn man weiß, dass »Potscher« das schlesische Wort für Hausschuhe ist, bekommt man ein Bild vom gemütlichen Alltagsleben im Himmel, nicht wahr?
Und man hat auch ein Gefühl für den realistischen Sinn der Sudetendeutschen, unter denen, wie mir eine Dame einmal nach einer Lesung in einer unglaublich kalten Kirche in Neutraubling sozusagen aus aktuellem Anlass erzählte, nach dem Krieg mancher nach dem »Gegrüßet seist du, Maria!« statt »Bitte für uns Sünder!« sprach: »Bitte für uns Zünder!« Zünder sind Zündholzer. Die waren knapp damals.
Weil wir gerade von Gebeten reden: Gute Bekannte, der Musiker S. und seine Frau, erzählten mir einmal von den Zeiten, als ihr erstes Kind zur Welt gekommen war. Die jungen Eheleute warenvon drückenden Schulden geplagt. Wen wunderte es, dass die
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