Der weiße Neger Wumbaba kehrt zurueck
das Wunderbare dieses Textes: dass es nicht die Nachtigall, nicht der Kolibri, nicht der Flamingo am Morgen ist, dessen Schönheit gepriesen wird, sondern die unscheinbare Wachtel, deren Schönheit sich nur dem wahren Freund der Tiere erschließt.
Deutsches Liedgut ist, wenn man es nur recht versteht, voll von solchen, das Wumbabare einer besseren Welt preisenden Texten. In Der weiße Neger Wumbaba kam ich auf ein Lied des Duos Klaus und Klaus zu sprechen, An der Nordseeküste heißt es:
» An der Nordseeküste,
am plattdeutschen Strand,
sind die Fische im Wasser und selten an Land.«
Dazu lag mir der Brief von Herrn K. vor, der verstanden hatte »und segeln an Land«, was nicht ohne Reiz ist, doch weit übertroffen wird von einer Zeile, die mich erst nach Veröffentlichung des Buches immer wieder erreichte:
» Sind die Fische im Wasser und zelten an Land.«
Großartiges Bild: fröhliche Fische in einem Zeltlager. Kraken und Doraden, die gemeinsam einen Ochsen grillen. Hummer und Haie, die selig betrunken um ein Lagerfeuer liegen. Kabeljaue undKarpfen, die sich morgens unter der Dusche treffen. Herr B. aus Erlau schreibt, dass er, als er erfuhr, wie seine Tochter dies als Kind gehört habe, sich vorstellte, dass große Fische Heringe in den Boden schlagen, um die Zeltschnüre daran zu befestigen.
Das ist auch sehr schön.
Man mag sich kaum lösen von dieser Szenerie, und wenn man es doch tut, dann mit dem Gruß »Auf Wiedersehen, ihr alten Fische!«, der auch ein Verhörer ist. Die kleine Nichte einer Bekannten der Frau M. aus Isernhagen verstand das, nachdem sie eine Bootsfahrt auf der Ihme, einem Nebenfluss der Leine in Niedersachsen, gemacht hatte und der Kapitän zum Abschied rief: »Auf Wiedersehen, in alter Frische!«
Wobei ich nicht den jungen Mann vergessen möchte, der mich nach einer Lesung in Darmstadt ansprach und erzählte, er habe früher gedacht, die »Selten« seien eine weitere Tierart, die – im Gegensatz zu den Fischen – an der Nordseeküste eben an Land lebten. Und auch nicht Frau S., die meerfern im Fränkischen lebt und schreibt, sie habe, nachdem sie sich endlich von der Vorstellung zeltender Fische lösen konnte, dann eine Weile »selten« für ein Verb gehalten, ein Wort aus der Fischersprache für die Tatsache, dass die kleinen Fische mit einer Welle kurz an Land gespült werden und mit der nächsten wieder im Meer verschwinden. Ihr Freund sei fast durchgedreht und habe gerufen: »Selten mit s und das heißt ›nicht oft‹. Nicht oft – nicht oft …!« Endlich, nach Jahren, habe auch sie verstanden: Die Fische sind im Wasser und nicht oft an Land!
Das Einvernehmen zwischen Mensch und Tier, das aus vielen Texten spricht und das wir uns im wirklichen Leben so wünschen, finden wir auch in einer
Geschichte von Frau M. aus Berlin, derenkleine Schwester, wenn Verwandte kamen, die Capri-Fischer immer so vorsingen musste, wie
es einst Rudi Schuricke getan hat:
» Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt
und vom Himmel die bleiche Sichel des Mondes blinkt,
zieh’n die Fischer mit ihren Booten aufs Meer hinaus,
und sie legen in weitem Bogen die Netze aus.
Nur die Sterne, sie zeigen ihnen am Firmament,
ihren Weg mit den Bildern, die jeder Fischer kennt.«
Genau so sang es auch M.s Schwester, nur mit einem winzigen Unterschied in der letzten Zeile:
» Ihren Weg mit den Bildern, die jeder Fisch erkennt.«
Was heißt das? Es heißt, Fischer und Fische folgen denselben Bildern, sie haben dieselben Ziele. Die einen streben an, was auch die anderen wollen. So drückt die Zeile nichts anderes aus als das, was gemeint ist, wenn vom Rösslein entspannenden Bauern die Rede ist. Mensch und Tier sind eins.
Interessant übrigens: Erstaunlicherweise werden in Deutschland viele Seemannslieder falsch verstanden, aus zwei Gründen. Erstens: In Deutschland werden besonders viele Seemannslieder gehört; sonst könnten sie ja nicht missverstanden werden. Zweitens: Die meisten Deutschen leben weit entfernt von der See; sie wissen in der Regel nicht, wovon ihnen gesungen wird.
Ein sehr schönes Beispiel dafür, wie wir trotzdem mit Seemannsliedern zu leben gelernt, ja, uns in Irrtümern komfortabel eingerichtet haben, liefert der Brief von Herrn K. aus München. K. sah Mitte der siebziger Jahre als Kind gerne die Fernsehserie Graf Luckner . Die hatte einen Titelsong mit der Zeile »Sailing, sailing, rund um die ganze Welt«.
K. verstand aber: »Serick, serick, rummel die Katze
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