Der weiße Neger Wumbaba kehrt zurueck
junge Mutter bei der Taufe im Vaterunser laut »Und vergib uns unsere Schulden« betete? Dem Vater wäre fast der Sohn aus dem Arm gefallen, so musste er lachen.
Herr H. aus Aschaffenburg schreibt mir zu diesem Thema, ein Schulkind aus seinem Bekanntenkreis habe einmal weitergebetet:
» Und vergib uns unsere Schuld
wie auch wir vergeben unseren Schulkindern.«
Dazu fällt mir die Post von Herrn D. aus München ein: Der Sohn eines Freundes habe einen Kindergarten besucht, in dem jeder Tag mit einem gemeinsamen Lied begonnen wurde. Da hieß es: »Lasset uns gemeinsam, lasset uns gemeinsam…« Nur der Sohn habe wochenlang laut vorgetragen: »Lasset uns gemein sein, lasset uns gemein sein…«
Ein letztes Weihnachtslied, in der Interpretation von Herrn O. aus Bremen beziehungsweise der Tochter Sara eines seiner Freunde. Die sang im Advent gern: »Lasst uns froh und Monster sein.«
Wo fern die Windeln weh’n: Deutsche Lieder, schwere Lieder
»Ich wollte nicht in der Wirklichkeit leben. Ich glaube, niemand will das«, hat Woody Allen mal in einem Gespräch mit der Zeit gesagt. »Im Laufe des Lebens erfindet man Strategien, sich die Wirklichkeit vom Leib zu halten. Manche Leute gucken Fußball, andere malen oder töpfern.« Und wieder andere, möchte ich hinzufügen, verstehen Lieder falsch.
Zweifellos beschreibt, was ich über das Missverstehen von Liedtexten geschrieben habe, nur die Spitze eines Eisbergs: Weitaus mehr Menschen als die hier erwähnten verstehen weitaus mehr Lieder falsch als die hier erwähnten. Und ebenso kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Welt, die in den missverstandenen Liedern beschrieben wird, eine interessantere, lebensvollere, zarter empfundene Welt ist.
Ich erkläre das an einem Beispiel, das mir vor längerer Zeit eine Leserin schickte. Es ging um das Lied Im Märzen der Bauer , in dessen erster Zeile es heißt: »Im Märzen der Bauer die Rösslein einspannt.«
Die Dame, von der ich berichte, hörte: »Im Märzen der Bauer die Rösslein entspannt.«
Wir vergleichen. Hier die Wirklichkeit, der Originaltext: Ein Bauer spannt seine Rösser ein, führt sie schon im kalten März auf das Feld, wo sie ackern und arbeiten, eggen und pflügen müssen, ein hartes, schweißtreibendes, lebensverkürzendes Pferdedasein.Auf der anderen Seite der missverstandene Text: Ein Bauer führt seine Rösslein nach langem, hartem Winter ins Freie, an die frische Luft, wo sie auf dem noch gefrorenen Boden ratlos herumstehen, die Muskulatur hart und ungeschmeidig von langer Bewegungslosigkeit im Stall – und was tut der Bauer? Er verpasst seinen Schützlingen, statt sie gleich knechten zu lassen, erst einmal eine entspannende Massage.
Ein zutiefst tierfreundliches Bild! Und wie überlegen ist der Phantasietext dem Original! Wie sehr beschreibt er eine schönere Welt, während der andere nur schnödeste Realität abbildet!
Ich finde vergleichbar Ergreifendes im Brief von Herrn G. aus Stuttgart, dessen Mutter ihn mit vier Jahren in die Sonntagsschule schickte. Eines
Sonntags habe eine Freundin der Mutter sich erkundigt, welche Geschichte heute dort erzählt worden sei. Der junge G. gab zur Antwort: »… wie der liebe
Heiland den Hühnern die Füße gewaschen hat.« Heute schreibt er: »Dass es sich dabei um die Fußwaschung nach Joh. 13,5 ff. gehandelt hat, die Jesus nach dem letzten Abendmahl an seinen Jüngern vornahm, war mir völlig entgangen, zumal ich das Wort ›Jünger‹ bis zu diesem Zeitpunkt noch nie gehört hatte.«
Ein anderes Beispiel, aus neuerer Zeit. In Roland Kaisers Schlager Santa Maria gibt es die Zeilen:
» Sie war ein Kind der Sonne,
Schön wie ein erwachender Morgen.«
Das ist nun nicht gerade ein Bild von ergreifender Poesie. Es ist sogar, um deutlicher zu werden, ziemlich blöde, denn keineswegs jeder erwachende Morgen ist ja schön, nehmen wir nur den Morgen, an dem ein dumpfer, seine Tiere hassender Bauer seine Rösslein einspannt, um sie zur Arbeit in nasser, kalter Ackererde zupeitschen, oder diesen anderen Morgen, an dem Millionen von gequälten Hühnern mit ungewaschenen Füßen in ihren Käfigen sitzen, um Eier zu legen, Eier, Eier, Eier.
Frau R. aus München aber schrieb mir, sie habe einen Freund, der bei diesem Lied hörte:
» Sie war ein Kind der Sonne,
Schön wie eine Wachtel am Morgen.«
Das klingt zunächst überraschend, denn wer hätte je eine Wachtel, geschweige denn am Morgen, als etwas beispielhaft Schönes empfunden?! Doch liegt gerade darin
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