Der weiße Neger Wumbaba kehrt zurueck
ist, der das Paradies bewacht, sehe ich noch bei diesem Lied mein altes Bild eines ›Cherub‹ vor mir und freue mich wie früher, dass nun Weihnachten ist.«
Ähnliche Verehrung wie Pfarrer Allerding widerfuhr einer Dame, die mir schrieb, sie habe, als sie in der ersten Volksschulklasse war, des Öfteren das Kind des Lehrerehepaars beaufsichtigt. Als die Eltern ihrem Kind das Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade beibrachten, habe die Kleine gebetet: »Gegrüßet seist du, Maria Otter Gnade.«
Dies schrieb mir Maria Otter.
Wenn aber kein bekannter Name zur Hand, der Text hingegen dennoch unerklärlich ist? Dann entstehen Phantasiefiguren. Wir erinnern uns an den im ersten Kapitel erwähnten Gottessohn Owi. Frau F. aus Zürich teilte mit, sie kenne sogar eine SchweizerWeihnachtskrippe, in der ein Abbild des Owi neben Maria und Josef stehe.
Frau W. kannte in ihrer Kindheit eine andere Phantasiefigur, die sie gern mal gesehen hätte, aber nie zu Gesicht bekam: den Wiswas aus Lasst uns froh und munter sein . Da heißt es:
» Dann stell ich den Teller auf,
Niklaus legt gewiss was drauf.«
W. verstand: »Niklaus legt den Wiswas drauf.« Aber er lag nie da, der Wiswas. Jedenfalls war er nicht zu sehen.
Und Frau S. teilte mit, ihre Schwester habe bei Alle Jahre wieder die Zeilen »dass es treu mich leite, an der lieben Hand« immer so vernommen: »Dass es Träumich leite, an der lieben Hand.« Und habe gedacht, das Christkind soll Herrn Träumich an seiner lieben Hand nehmen und führen. Er, der Verträumte, hätte sonst nie den rechten Weg gefunden.
Ein Wort zu Süßer die Glocken nie klingen . Da kann man durch Setzung eines Kommas den Sinn dergestalt verändern, dass es heißt »Süßer, die Glocken nie klingen«. Frau S. aus Gauting schreibt dazu, sie habe es erstens empörend gefunden, Jesus als »Süßen« zu bezeichnen, zweitens aber habe sie nicht recht kapiert, wieso man Jesus singend erzähle, »dass die Glocken nie klingen, wo sie es doch gerade während der Weihnachtszeit laufend tun«. Aus Hürth schrieb mir Frau W., ihr Mann sei als Kind von seiner Mutter stets »Süßer« gerufen worden. Seine Verwunderung bei diesem Lied kann man sich vorstellen. Einerseits, so Frau W., »fragte er sich, warum er hier persönlich angesprochen wurde und das nicht nur innerhalb der Familie, sondern sogar in der Kirche. Andererseits war ihm aber nicht klar, warum die Glocken nie klingen … Über Jahre war ihm das Ganze ein Rätsel.«
Vor einer Weile traf ich in Düsseldorf Herrn K., der mir von einer Großtante berichtete, die in der Nähe von Erfurt aufgewachsen war und deshalb in der Kirche statt »Da bleibt mein Herz vor Ehrfurcht steh’n« immer sang: »Da bleibt mein Herz vor Erfurt steh’n«.
Er habe, sagte K., aber nicht herausfinden können, um welches Lied es sich dabei handelte. Kaum war ich aus Düsseldorf zurück, fand ich im Büro einen Brief von Herrn D. aus Ulm, der aus Christian Fürchtegott Gellerts Weihnachtslied Dies ist der Tag, den Gott gemacht zitierte:
» Wenn ich dies Wunder fassen will,
So steht mein Geist vor Ehrfurcht still …«
D. berichtete von einem Kind, das sang:
» Wenn ich dies Wunder fassen will,
So steht mein Geißbock furchtbar still …«
Es war also bei K.s Großtante der Geist, der vor Erfurt stehen blieb, nicht das Herz, was immer das für Erfurt bedeuten mag, für den Geist, das Herz und für den Geißbock natürlich auch.
Apropos Geißbock: Während er stillsteht, fällt mir ein anderes Weihnachtslied ein, Es ist ein Ros’ entsprungen . Zu wenigen Liedern habe ich so viele Briefe bekommen, einfach weil viele Menschen sich unter einer entsprungenen Ros’ (einem Reis also, das heißt einem Schössling, das ist ein junger Pflanzentrieb) nicht viel vorstellen können. Wohl aber unter einem entsprungenen Ross. Nun aber von Weihnachts- zu anderen Kirchenliedern, Gold’ne Abendsonne zum Beispiel:
» Gold’ne Abendsonne,
Wie bist du so schön.
Nie kann ohne Wonne
Deinen Glanz ich sehn.«
Dazu schreibt Herr O. aus Bremen, er habe als Kind oft bei allen möglichen Kaffeetafeln pietistischer Betschwestern und -brüder anwesend sein müssen und stets gehört:
»Nie Kanone Wonne …«
»Irgendwie störte es mich zwar«, schreibt O., »dass in diesem Satz das Verb fehlte, da ich mich aber als Kind sehr für Piraten und Segelschiffe begeistert habe, stellte ich mir ein hölzernes Segelschiff mit einem riesigen Buggeschütz vor, das eben – Wonne verschoss, was
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