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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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und eine führende Macht in Wessex.
    Er nickte. «Und weißt du auch, wer dieser verdammte Esel ist?», fragte er mit Blick auf Æthelwold, der ein Bündel aus weißem
     Tuch in der Hand hielt.
    «Wir kennen uns», sagte ich. Æthelwold war nur etwa einen Monat jünger als ich und konnte, wie mir schien, von Glück reden,
     dass sein Onkel Alfred ein so guter Christ war, denn sonst wäre ihm schon längst die Kehle durchgeschnitten worden. Er sah
     sehr viel besser aus als Alfred, war aber töricht, gedankenlos und meist betrunken. An diesem Sonntagmorgen aber schien er
     halbwegs nüchtern zu sein.
    «Ich bin dazu bestimmt worden, mich um Æthelwold zu kümmern», sagte Wulfhere. «Und um dich. Auf Befehl |24| des Königs werde ich dich bestrafen.» Er brütete einen Moment vor sich hin und fuhr dann fort: «Wenn es nach der Königin ginge,
     müsste ich dir jetzt die Därme aus deinem stinkenden Arsch ziehen und an die Schweine verfüttern.» Er starrte mich an. «Weißt
     du, welche Strafe den erwartet, der im Beisein des Königs sein Schwert zieht?»
    «Eine Geldbuße?», fragte ich.
    «Darauf steht der Tod, du Narr, der Tod. Das Gesetz wurde letzten Winter erlassen.»
    «Davon wusste ich doch nichts.»
    Wulfhere ignorierte meinen Einwurf und sagte: «Aber Alfred lässt Gnade vor Recht ergehen. Du wirst also nicht am Galgen baumeln.
     Jedenfalls nicht heute. Allerdings verlangt er deine Zusicherungen, den Frieden zu wahren.»
    «Welchen Frieden?»
    «Seinen verdammten Frieden, du Dummkopf. Er will, dass wir gegen die Dänen kämpfen, nicht dass wir uns gegenseitig aufschlitzen.
     Fürs Erste also musst du geloben, Frieden zu wahren.»
    «Fürs Erste?»
    «Fürs Erste», wiederholte er ausdruckslos. Ich zuckte mit den Achseln, was er als Einverständnis deutete. «Du hast Ubba getötet?»,
     fragte er.
    «Ja.»
    «So hört man.» Er nieste. «Kennst du Edor?»
    «Ich kenne ihn», antwortete ich. Edor war einer von Aldermann Oddas Gefolgsleuten, der die Männer von Defnascir angeführt
     und bei Cynuit an unserer Seite gekämpft hatte.
    «Edor hat mir berichtet, was geschehen ist», sagte Wulfhere, «aber nur weil er mir vertraut. Zum Teufel, halt deine Finger
     bei dir!» Die letzten Worte waren an Æthelwold |25| gerichtet, der unter dem Altartuch herumfummelte, anscheinend auf der Suche nach irgendetwas Wertvollem. Statt seinen Neffen
     ermorden zu lassen, hatte Alfred allem Anschein nach vor, ihn zu Tode zu langweilen. Nie war es Æthelwold erlaubt worden,
     in den Kampf zu ziehen, damit er sich kein Ansehen als Krieger erwerben konnte. Stattdessen musste er schreiben und lesen
     lernen, doch das war ihm verhasst, und darum vertändelte er seine Zeit mit Jagdausflügen, Trinkgelagen und Hurerei, immerzu
     beleidigt darüber, dass ihm die Krone vorenthalten blieb. «Kindskopf, du!», knurrte Wulfhere.
    «Edor hat es Euch gesagt?» Ich schaffte es kaum, meine Wut zu beherrschen. «Aber nur, weil er Euch vertraut? Ist das, was
     vor Cynuit geschehen ist, etwa ein Geheimnis? Tausend Männer haben mich Ubba töten sehen!»
    «Aber dessen rühmt sich nun der junge Odda», entgegnete Wulfhere. «Sein Vater ist schwer verwundet; wenn er stirbt, wird Odda
     der Jüngere einer der reichsten Männer von Wessex sein. Ihm unterstehen dann mehr Soldaten und Priester, als du es dir je
     erträumen könntest. Und deshalb wird ihn gewiss niemand herausfordern, verstehst du? Alle werden so tun, als glaubten sie
     ihm, damit er sich ihnen gegenüber großzügig verhält. Der König glaubt ihm bereits, und warum auch nicht? Odda hat ihm Ubba
     Lothbroksons Banner und seine Streitaxt zu Füßen gelegt, ist vor ihm auf die Knie gesunken, hat Gott gepriesen und gelobt,
     bei Cynuit eine Kirche und ein Kloster zu bauen. Und was hast du getan? Bist auf deinem verdammten Ross in einen Gottesdienst
     galoppiert und hast dein Schwert gezogen. Das war nicht gerade besonders klug.»
    Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen, denn Wulfhere hatte recht. Alfred war überaus fromm, und wer es in Wessex zu
     etwas bringen wollte, musste ihm schmeicheln, |26| ebenso fromm tun und sein glückliches Geschick dem Herrgott zuschreiben.
    «Odda ist ein Tölpel», fügte Wulfhere zu meiner Überraschung hinzu, «aber er ist jetzt Alfreds Tölpel, und daran wirst du
     nichts ändern.»
    «Aber ich habe Ubba   …»
    «Ich weiß, was du getan hast», fiel mir Wulfhere ins Wort. «Wahrscheinlich ahnt auch Alfred, dass du die Wahrheit sagst, aber
     er

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