Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
eingebrockt haben, gefälligst selbst auslöffeln.«
Der General klang so zornig, dass Walther befürchtete, er würde seine Drohung wahrmachen. Doch wenn Houston ging, würden jene Freiwilligen aus Louisiana die Armee verlassen, welche es anders als Schüdle und Spencer nicht bei unerfüllten Versprechungen belassen hatten, sondern mit der Waffe in der Hand nach Texas geeilt waren.
»General, soll ich nicht doch nach Alamo reiten und mit Travis reden?«, fragte Walther.
»Sonst noch was? Travis hatte seine Befehle. Wenn er sie nicht befolgt, muss er die Konsequenzen tragen – und die armen Hunde, die ihm vertrauen, leider ebenfalls.«
Erneut packte Houston die Wut. Er fasste sich aber wieder und klopfte Walther auf die Schulter. »Ich hoffe, dass wenigstens Sie mir gehorchen, wenn ich Ihnen etwas befehle, Colonel. Aber nun zu dir, Rudledge! Ruh dich heute Nacht aus. Morgen reitest du los und beobachtest Santa Anas Armee aus der Ferne. Informiere mich über alles, was er tut, hast du verstanden?«
Der Scout nickte eifrig. »Das mache ich, General. Die Fährte, die Ihre Truppen hinterlassen, ist ja nicht zu verfehlen!«
»Sehr gut, abtreten!«
Während Rudledge weiterritt, um das vorgesehene Nachtlager zu erreichen, wandte Houston sich an Walther. »Die beiden Kuriere, die Sie zu Travis und Fannin schicken wollten, können Sie vergessen. Das hat keinen Sinn mehr.«
»Auch wenn Travis sich stur stellt, könnte doch Fannin …«, begann Walther.
Houston unterbrach ihn mit einer resignierten Geste. »Wenn Travis Alamo nicht preisgibt, wird Fannin Goliad nicht verlassen, weil er sonst als Feigling gelten würde – so, wie ich es bereits tue!«
Houston lachte bellend, nickte Walther noch einmal zu und ritt weiter. Unterwegs fragte er sich, wie lange es Travis und Fannin gelingen würde, Santa Anas Vormarsch aufzuhalten. Lange würde es nicht sein. Doch jeder Tag, den die Mexikaner am Weitermarsch gehindert wurden, war kostbar, denn damit gewann er Zeit, seine Armee auszubilden und die neuen Rekruten einzugliedern. Da es ernst zu werden drohte, stießen nun ständig weitere Männer zu seinem Heer, und er sagte sich, dass er sich wenigstens in dieser Hinsicht auf die Texaner verlassen konnte.
3.
A ls die Maulhelden, Spekulanten und Glücksritter San Felipe de Austin wieder verließen, weil ihnen die Lage zu unsicher wurde, tauchten andere Männer auf, die bereit waren, das Ihre zu tun, um Santa Ana in die Schranken zu weisen. Anneliese Belcher konnte sich daher nicht über einen Mangel an Gästen beklagen. Sogar der Store war noch offen, auch wenn der Besitzer nach New Orleans gereist war, angeblich, um neue Ware zu kaufen. Sein Gehilfe Jack war zurückgeblieben und nützte die Gelegenheit, einen Teil des Erlöses für sich abzuzweigen. Dies erschien ihm als gerechter Ausgleich für das Risiko, das er eingehen musste.
Anneliese Belcher schickte nun Nizhoni zu ihm, weil die Indianerin besser feilschen konnte als Gisela und die anderen Frauen. Auch an diesem Tag war die Navajo mit ihrem Korb dort gewesen und hatte für ihren Einkauf mehrere Dollar weniger gebraucht, als man ihr mitgegeben hatte.
Zufrieden nahm Anneliese das Wechselgeld entgegen und steckte ihr zwei Dollar zu. »Hier, nimm! Das hast du dir verdient.«
Nizhoni sah die Münzen erstaunt an. Zwar wusste sie, dass die weißen Leute damit bezahlten und nicht mit Fellen oder Pferden, hatte aber nie daran gedacht, dass sie selbst einmal Geld haben könnte. Für das, was sie brauchte, war Gisela zuständig, und ihre Freundin sorgte gut für sie. Daher wollte sie ihr die Münzen geben.
»Die sollst du behalten«, erklärte Gisela ihr. »Vielleicht siehst du einmal etwas, das du kaufen möchtest.«
»Gisela hat recht!«, warf Gertrude ein.
Von der Abneigung der Elsässerin gegen die junge Indianerin war nicht mehr viel übrig geblieben. Wenn sie sich fragte, was sie gegen die junge Frau gehabt hatte, wurde ihr klar, dass es im Grunde Eifersucht auf Nizhoni gewesen war, weil sie selbst als Giselas und Walthers beste Freundin hatte gelten wollen. Doch Nizhoni war niemand, der ihr Giselas Freundschaft wegnahm. Im Grunde war es ihre eigene Schuld, da sie zu den Poulains gezogen war, um die mittlerweile verstorbene Charlotte zu unterstützen. Gisela hatte ebenfalls Hilfe gebraucht und diese von der Indianerin erhalten. Außerdem war Nizhoni Josefs Amme gewesen. Wenn der Junge fröhlich durch die Korridore des Hotels tobte, sagte Gertrude sich, dass sie
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