Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
sie wirklich nach Louisiana fliehen mussten.
2.
S am Houston lenkte sein Pferd zu Walther, der die Nachhut anführte, und sah ihn forschend an. »Was gibt es Neues von Santa Ana?«
»Seit Rudledge wieder unterwegs ist, habe ich nichts mehr gehört.«
»Das heißt, wir wissen nicht, wie weit er bereits nach Texas eingedrungen ist und wo er sich befindet. Wozu haben wir unsere Patrouillen?« Houston klang verärgert, da Santa Anas Armee ihnen bereits auf den Fersen sein konnte, ohne dass sie davon wussten.
»Santa Ana kann nicht an San Antonio vorbeiziehen, ohne es einzunehmen. Wenn er das tut, erfahren wir es«, antwortete Walther mit fester Überzeugung.
»Hoffentlich! Was ist mit Travis und Fannin? Gibt es Nachrichten von den beiden?«
Walther schüttelte den Kopf. »Nein! Bislang haben sie keinen Kurier geschickt. Soll ich zurückreiten und sehen, wo sie bleiben?«
»Sie bleiben auch, und zwar hier! Ich brauche Sie bei der Armee. Wellington hat einmal gesagt, Napoleons Anwesenheit auf dem Schlachtfeld würde zwanzigtausend Soldaten aufwiegen. Ihre Anwesenheit hier wiegt zwar nicht so viele auf, aber zwei-, dreihundert sind es doch. Der Gedanke, dass ein Mann unter uns ist, der Napoleon besiegt hat, gibt unseren Soldaten Mut. Wenn Sie etwas befehlen, werden die Kerle Ihnen folgen. Schicken Sie zwei andere als Kuriere. Aber warten Sie damit, bis ich meine Befehle geschrieben habe. Ich werde den beiden Herren deutlich machen, dass sie Offiziere der texanischen Armee sind und ich ihr Kommandeur. Wenn ich Travis und Fannin sage, dass sie ihre Vorposten aufgeben und zu meinen Truppen stoßen sollen, haben sie das zu tun!«
»Jawohl, General!« Walther überlegte, welche Männer als Kurier geeignet waren, und kam auf Ean O’Corra und James Fuller. Er ließ die beiden holen, während Houston aus dem Sattel stieg und diesen als Schreibunterlage für die beiden Briefe verwendete, die er an Travis und Fannin schicken wollte. Er hatte noch nicht seine Unterschrift daruntergesetzt, als jemand einen kurzen Pfiff ausstieß.
»Uns folgt ein Reiter!«
Walther und Houston sahen sich um. »Wenn das nicht Rudledge ist, soll mich der Affe lausen«, stieß der General aus.
»Er ist es!« Gespannt wartete Walther, bis der Reiter zu erkennen war.
Rudledge winkte schon von weitem und spornte seinen Gaul noch einmal an, um die Truppe schneller zu erreichen. »Hallo, Sir! Freut mich, Sie zu sehen. Hatte schon befürchtet, auch noch die Nacht durchreiten zu müssen.«
»Rede nicht so viel Unsinn, sondern sag, wann Travis zu uns aufschließt!«, fiel Houston dem Mann ins Wort.
»Tut mir leid, General, aber das wird er nicht tun. Colonel Travis will in Alamo bleiben. Das Fort habe feste Mauern und könne gegen eine zehnfache Übermacht gehalten werden, behauptet er.«
»Eine zehnfache Übermacht? Ha! Wie viele Männer hat Travis unter seinem Kommando?«, fragte Houston sarkastisch.
»Gut zweihundert, nachdem Colonel Bowie mit einem Trupp Freiwilliger zu ihm gestoßen ist. Außerdem ist Colonel Crockett mit etlichen Männern aus Tennessee gekommen, um mitzuhelfen, die Mexikaner zu verbläuen.« Rudledge grinste, denn das waren Nachrichten, wie er sie gerne überbrachte.
»David Crockett, der ehemalige Abgeordnete im Repräsentantenhaus?«, fragte Houston und schlug erregt mit der Faust gegen den Sattel.
»Travis hat also zweihundert Mann in Alamo und glaubt, sich gegen die zehnfache Anzahl Mexikaner behaupten zu können. Aber Santa Ana kommt mit mehr als zweitausend, mit sehr viel mehr!«
Nun wurde Rudledge doch etwas nachdenklich. »Tut mir leid, General, aber Colonel Travis hat mir nicht geglaubt. Er meint, ich hätte aufgeschnitten oder könnte nicht gut zählen.«
Walther begriff, dass die Begeisterung über die Ankunft von Jim Bowie und David Crockett Rudledge dazu verleitet hatte, die Gefahr zu unterschätzen, die Travis’ Männern durch die Mexikaner drohte.
»Colonel Travis sagt, Santa Ana müsse merken, dass Texas Widerstand leistet, und zwar mit aller Kraft. Daher will er Alamo halten.«
»Einen Tag vielleicht – dann überrennen ihn Santa Anas Soldaten, und ich verliere seine Leute für nichts und wieder nichts. Es ist zum Verzweifeln! Wie soll ich eine Strategie entwerfen, wenn jeder kleine Offizier glaubt, sich nicht an meine Befehle halten zu müssen? Bei Gott, am liebsten würde ich das Kommando hinwerfen und Gouverneur Smith und den anderen aufgeblasenen Wichten sagen, sie sollen die Suppe, die sie sich
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