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Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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der bei der Nachricht hereingeschossen war, an der Hand, damit er nicht einfach loslaufen konnte, und trat aus dem Haus.
    Nizhoni ärgerte sich, weil sie unverrichteter Dinge zurückkehrte. Ihr Gesicht, ihre Haare und ihre Kleidung waren staubbedeckt, und sie wirkte ebenso müde wie ihre Stute. »Der Pferdedieb war klüger als ich und hat mich überlistet«, meldete sie, als sie aus dem Sattel stieg und die Stute kurz tätschelte.
    »Jetzt müssen wir auf dich gut achtgeben, damit dich nicht auch ein böser Mann wegholt!« Diese Worte galten der Schecke, die mit hängendem Kopf neben ihr stand.
    »Wir werden abwechselnd bei der Stute wachen. Allerdings benötigen wir dafür die Pistole.«
    Gisela machte sich keine Illusionen. Wenn jemand den Mustang stehlen wollte, würde er auch vor Gewalt nicht zurückschrecken. Damit aber schieden Arlette und Cécile als Wächterinnen aus, denn beiden traute sie nicht die Entschlossenheit zu, sich gegen einen Mann durchzusetzen. Auch Gertrude konnte nur am Tag Wache halten, wenn es nicht mehr als eines Schreis bedurfte, um Hilfe herbeizurufen. Die Nachtwachen aber würden an ihr und vor allem an Nizhoni hängenbleiben. Doch sie brauchten die Stute und durften nicht riskieren, diese ebenfalls zu verlieren. Den Wagen würde das Tier nicht ziehen können, dafür war es zu klein. Aber vielleicht konnten sie Céciles Stute und die Schecke zu einem Gespann vereinen. Diesen Vorschlag machte Gisela beim Abendessen.
    Cécile stieß empört die Luft aus. »Meine Fleur ist kein Karrengaul!«
    »In der Not frisst der Teufel Fliegen«, antwortete Gisela. »Wir brauchen den Wagen für Gertrude, Arlette und mich sowie für Anneliese, falls sie keine andere Möglichkeit findet, San Felipe zu verlassen.«
    »Weshalb soll ich San Felipe verlassen?«, fragte Anneliese. »Nur auf ein paar Gerüchte hin, die von Angsthasen in die Welt gesetzt worden sind? Wir leben hier im Osten von Texas. Um hierherzukommen, müsste Santa Anas Armee einige hundert Meilen zurücklegen. Das werden unsere Jungs nicht zulassen.«
    Den anderen war klar, dass Anneliese an der Pension hing, die ihr Mann und ihre beiden Söhne erst in diesem Jahr mit Hilfe von Nachbarn und fremden Zimmerleuten errichtet hatten. Überdies verdiente sie derzeit ausgesprochen gut, und das wollte sie so lange wie möglich ausnützen. Es gelang der Wirtin, Arlette auf ihre Seite zu ziehen, die darauf vertraute, dass die mexikanische Armee nicht bis zu dieser Stadt gelangen würde.
    Cécile stimmte dafür, noch zu warten, und auch Gertrude schüttelte den Kopf. »Wir sollten nicht in Panik verfallen. Immerhin hat noch kein einziger mexikanischer Soldat texanischen Boden betreten.«
    »Ich sage euch, wir sollten San Felipe verlassen und nach Louisiana gehen«, flehte Gisela. Es würde nicht mehr lange dauern, bis ihr Kind kam. Es graute ihr allein bei dem Gedanken, es irgendwo unter freiem Himmel zur Welt bringen zu müssen statt in einem festen Haus in Louisiana. Auch war die Hebamme, auf die sie gehofft hatte, nur einmal bei ihr gewesen und trotz ihrer Bitte nicht wieder erschienen. Gegen die anderen Frauen kam sie jedoch nicht an.
    »Immerhin haben wir hier ein Dach über dem Kopf, während wir ansonsten tagelang durch die Wildnis ziehen müssten«, wandte Gertrude ein.
    »Unsere Jungs schaffen das schon, keine Sorge!« Anneliese sah so optimistisch drein, dass Gisela sich ihrer Zweifel schämte. Im Grunde sehnte auch sie sich nach Ruhe, und der Gedanke an eine Reise ins Ungewisse bereitete ihr Unbehagen.
    »Vielleicht habt ihr recht«, sagte sie schließlich und sah im gleichen Augenblick Nizhoni den Kopf schütteln.
    »Zu lange warten ist nicht gut! Jetzt ist die Straße noch frei, und wir haben Zeit, in Ruhe zu reisen. Wenn die Mexicanos kommen, werden alle fliehen wollen, und dann wird es hart!«
    »So weit wird es nicht kommen«, versuchte Anneliese, sie zu beruhigen. »Ich vertraue auf Houston, meinen Mann und meine Söhne. Ihr solltet auch auf eure Männer vertrauen.«
    Damit war das letzte Wort gesprochen. Gisela spürte, dass die Entscheidung falsch war, doch sie hatte keine Kraft, sich dagegenzustemmen. Die einzige Möglichkeit für sie wäre, mit Josef und Nizhoni allein nach Osten zu ziehen. Ohne den Wagen würde sie zu Fuß gehen müssen, denn in ihrem Zustand war sie nicht mehr in der Lage, auf einem Pferd zu sitzen. Sie hielt es daher für besser, zu warten und Nizhonis und Céciles kleine Stuten vor den Wagen zu spannen, falls

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