Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
Farm rissen nicht ab. Pepe erweiterte den Garten, weil Rosita neuen Samen mitgebracht hatte, und auch sonst nahm diese das Heft in die Hand. Dabei erklärte sie Walther, wie er dieses und jenes zu tun habe. Da sie schon länger hier lebte, befolgte er ihre Vorschläge.
Zwischendurch erwog er, ob er nicht mit ein paar Waren zum Lager der Komantschen reiten sollte. Seine Sorge um Gisela verhinderte es jedoch.
Am fünften Tag weckte Rosita Walther in dem Anbau, den er seit ihrer Ankunft mit Pepe teilen musste. »Reiten Sie los, um Gertrude und Arlette zu holen. Ich glaube, es ist so weit.«
Sie wirkte dabei so besorgt, dass Walther erschrak.
Rasch zog er sich an, machte Katzenwäsche und schwang sich in den Sattel. Wieder grämte er sich, nicht darauf bestanden zu haben, dass die Elsässerin Gertrude bei ihm und Gisela geblieben war. Doch als Charlotte Poulain durch einen Schlangenbiss erkrankt war, hatte Gertrude sich erboten, dieser zu helfen. Da Gisela auch der Meinung gewesen war, dass Charlotte Hilfe benötigte, war ihm nichts anderes übriggeblieben, als es zu akzeptieren.
Walther schlug ein scharfes Tempo an. Dennoch dauerte es für sein Empfinden viel zu lange, bis Thomé und Arlette Laballes Farm vor ihm auftauchte. Die beiden waren noch lange nicht so weit wie er und hatten auch die Hütte, die in Gemeinschaftsarbeit errichtet worden war, bisher um keinen Anbau erweitert. Um das Gebäude herum gab es nur ein paar kleine Felder, die mit Gottes Segen genug tragen würden, damit das Paar das Jahr bis zur nächsten Ernte überstand.
Vor dem Haus schwang Walther sich aus dem Sattel und klopfte gegen die Tür. Thomé Laballe öffnete und sah ihn erstaunt an.
»Walther, mein Freund, was führt dich zu so früher Stunde zu uns? Komm doch herein! Vielleicht finden wir noch eine Flasche Wein aus den Vorräten, die ich aus San Felipe de Guzmán mitgebracht habe.«
»Dafür ist keine Zeit! Rosita Jemelin ist bei uns. Sie meint, bei Gisela wäre es bald so weit. Ich soll Arlette bitten, zu uns zu kommen.«
Thomé Laballe drehte sich um und rief nach drinnen. »Hast du gehört, Arlette? Du sollst zu Gisela kommen!«
»Ich bin doch nicht taub!«, klang es scharf zurück.
Walther war den rauen Ton zwischen den Eheleuten gewöhnt. Daher machte er sich nichts daraus, sondern verabschiedete sich und ritt weiter. Auch wenn er Arlette mochte, so erschien es ihm doch wichtiger, Gertrude Schüdle zu holen, die er für weitaus zuverlässiger hielt.
Auch die zweite Farm wirkte gegenüber seiner eigenen klein und war vorerst nur darauf ausgerichtet, der Familie, die hier wohnte, das Überleben zu sichern. Allerdings hatten die Bewohner hier etwas mehr getan als die Laballes, denn es gab zumindest einen kleinen Schuppen und einen eingezäunten Gemüsegarten. Letzteres schrieb er Gertrude zugute, die dort eben mit einer Schaufel die Erde umgrub. Bei seinem Anblick hielt sie inne und lehnte sich auf den Schaufelstiel.
»Guten Tag, Walther!«, grüßte sie auf Deutsch. »Ist es bei Gisela so weit?«
»Woher weißt du das?«, fragte Walther verblüfft.
»Weil ich dich gut genug kenne, um nicht anzunehmen, dass du nur zu uns gekommen bist, um mit Albert, Charlotte und mir ein wenig zu plaudern.«
»Wie geht es Charlotte? Kann sie dich für ein paar Tage entbehren?«, fragte Walther, ohne auf Gertrudes Bemerkung einzugehen.
»Natürlich! Sie kann zwar noch nicht hüpfen wie ein Reh, aber ich habe Cécile so weit angelernt, dass sie ihre Mutter unterstützen kann. Sie ist ein braves Kind, wenn auch viel zu still.«
»Kein Wunder bei dem, was das Mädchen alles durchgemacht hat.«
Cécile Poulain war eines der wenigen Kinder, die den Schiffbruch der
Loire
überlebt hatten. In jener schrecklichen Nacht hatte sie miterleben müssen, wie ihre beiden Geschwister ertranken. Walther tat das Mädchen leid, aber er konnte die Zeit nicht zurückdrehen. Jetzt ging es um seine Frau.
»Du wirst hinter mir aufsitzen müssen. Zu Fuß dauert es zu lange«, erklärte er Gertrude.
Diese nickte zustimmend. »Das ist das Beste. Es sind doch einige Meilen zu gehen, und draußen kriechen überall Schlangen herum. Wie schlimm die sind, hat man an Charlotte gesehen. Hätte ihr Mann ihr nicht sofort das Gift aus der Wunde gesaugt, wäre sie gestorben.«
Seit Charlotte Poulain von einer Schlange gebissen worden war, hatten die Frauen Angst davor, sich zu weit von den Hütten und Häusern zu entfernen, und verboten auch den Kindern, dies zu tun.
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