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Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Schusses. Im selben Augenblick strich eine Kugel an ihm vorbei und durchschlug den Rand seines Hutes. Wütend drehte er sich um und sah den größten Hinterwäldler mit angelegtem Gewehr, aus dessen Lauf Pulverdampf drang. Seine beiden Kumpane hoben jetzt ebenfalls die Waffen zum Schuss.
    Gegen vier Gegner war der Kugellauf zu wenig. Doch noch befanden die Kerle sich in äußerster Schrotreichweite. Bevor sie zum Schuss kamen, zog Walther durch. Zwar tötete er niemanden, dafür schrien alle einschließlich Spencer vor Schmerzen auf. Ein Mann ließ sogar seine Büchse fallen. Diese entlud sich knallend und traf eine Kuh, die laut brüllend losrannte. Die anderen Rinder folgten ihr. Der Junge versuchte zwar noch, sie aufzuhalten, doch es war vergebens.
    »Wenn ich wiederkomme, seid ihr verschwunden, sonst werdet ihr etwas erleben!«, rief Walther der Gruppe zu und ließ dann sein Pferd antraben.
    Quique kam an seine Seite und sagte nur ein Wort. »Americanos!«
    Darin lag alle Verachtung, die der Junge auszudrücken vermochte. Auch Walther verspürte wenig Lust, sich noch einmal mit Einwanderern aus den Vereinigten Staaten abzugeben, und wenn er sich jeden Nagel und jeden Teller aus der Ciudad de Mexico bringen lassen musste.

8.
    V ier Tage später meldete Quique, dass Spencers Gruppe verschwunden sei. Allerdings hatten sie vorher noch die halb fertige Blockhütte eingerissen und das Holz in den Fluss geworfen, damit es niemand verwenden konnte. Das entsprach dem Bild, das Walther sich von diesen Leuten gemacht hatte. Am meisten ärgerte ihn, dass er Spencer hatte laufen lassen müssen. Aber es war sinnlos, diesen Mann bei den mexikanischen Behörden als Mörder anzuzeigen. Zum einen war die Tat vor sehr langer Zeit auf einem anderen Kontinent geschehen und zum anderen das Land so weit, dass kein Richter den Mann je zu fassen bekäme.
    Um Gisela nicht an jene schrecklichen Tage bei Waterloo zu erinnern, beschloss er, ihr die Begegnung mit dem Mörder ihrer Mutter zu verschweigen. Er erzählte ihr nur, dass die Nordamerikaner rüpelhaft gewesen wären und auf ihn geschossen hätten.
    »Ein besonderer Schütze war der Kerl nicht gerade«, fügte er hinzu und tat den Schuss mit einer Handbewegung ab.
    Gisela lächelte etwas gezwungen, denn Quique hatte ihr anderes berichtet. In den Augen des Jungen war Walther ein Held, der mit einer ganzen Handvoll schießwütiger Americanos fertig geworden war. In seinen Erzählungen hatte Walther sogar einige davon getötet. Doch was das betraf, glaubte Gisela wiederum ihrem Mann, der ihr grinsend erzählte, dass er den Schrotlauf abgefeuert hätte. Nach dessen Worten hatten die wilden Siedler sich zwar ein paar von den kleinen Kügelchen eingefangen, seien aber nicht gefährlich verletzt worden. Dies beruhigte Gisela, denn sie hätte Walther ungern als einen Menschen gesehen, der andere Leute hemmungslos niederschoss.
    Nicht lange, da trat auch diese Begebenheit in den Hintergrund. Gisela ging es wieder schlechter, und sie konnte die Arbeit im Haus kaum mehr bewältigen, obwohl Pepe und Walther ihr vieles abnahmen.
    Mit einem müden Lächeln sah sie an diesem Morgen zu Walther auf. »Ich werde froh sein, wenn es vorbei ist. So bin ich einfach viel zu unbeholfen. Auch rast mein Herz, wenn ich mich zu rasch bewege!«
    Es raste auch so, doch das wollte sie Walther nicht sagen, um ihn nicht zu beunruhigen.
    »Schade, dass Gertrude zu den Poulains gezogen ist, nachdem Charlotte von der Schlange gebissen wurde. Nun könnten wir sie gut brauchen. Ich glaube, ich sollte nun doch zu Jemelins Hacienda reiten und Rosita fragen, ob sie eine Frau kennt, die bei uns bleiben und dir die Arbeit abnehmen kann, bis das Kind geboren ist«, schlug Walther vor.
    Gisela wollte zunächst widersprechen, um nicht als faule und schlechte Hausfrau zu gelten. Doch ihr fiel bereits das Aufstehen schwer, und so nickte sie schweren Herzens. »Es wird wohl das Beste sein. Es tut mir so leid, aber …«
    »Kein Aber!«, unterbrach Walther sie und nahm sie in die Arme. »Es wird alles gut werden, mein Lieb.«
    »Ja, das wird es«, stimmte Gisela ihm zu, obwohl sie im Augenblick das Gefühl hatte, nie mehr auf die Beine zu kommen. Sie nahm all ihre Kraft zusammen und schob Walther zurück. »Ich muss an den Herd! Du wirst doch sicher Kaffee haben wollen. Wenn du nach San Felipe kommst, musst du neuen kaufen. Wir haben nicht mehr viel davon.«
    Ein Schatten glitt über Walthers Gesicht. Schon bald würde er nach

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