Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
Walther auf.
Dieser ahnte, dass der Mann ihn nicht einordnen konnte. Mit seinen blonden Haaren und dem hellen Gesicht sah er wie ein Europäer aus, trug aber die schlichte mexikanische Tracht der Grenzbewohner.
»Buenos días«,
grüßte Walther. Da die anderen ihre Waffen in der Hand behielten, tat er es auch.
»Was sagt der Kerl?«, fragte einer der Hinterwäldler seinen Anführer in einem für Walther kaum verständlichen Englisch.
»Er wünscht uns einen guten Tag, wenn ich das von unserem Feldzug auf der spanischen Halbinsel richtig in Erinnerung habe.«
Das Englisch dieses Mannes war besser, aber seine Stimme rief bei Walther eine vage Erinnerung wach. Er musterte ihn und fand, dass dessen Gesicht einem Wiesel glich. Nun durchforstete er verzweifelt sein Gedächtnis, an wen ihn dieser Mann erinnerte.
»Kann der Kerl vielleicht auch in einer zivilisierten Sprache reden?«, knurrte ein anderer.
Walther achtete nicht auf ihn, sondern behielt den Anführer im Auge. Dieser war ihm noch unsympathischer als die Hinterwäldler, und so fragte er etwas schärfer, als er es sonst getan hätte: »Wer sind Sie und was wollen Sie hier?«
Da er nun die englische Sprache verwendete, verstanden ihn die anderen.
Einer der beiden Arbeiter begann zu lachen. »Was wir machen wollen, siehst du doch. Wir errichten hier eine Fährstation!«
»Und wer hat Ihnen die Erlaubnis dazu gegeben?«
Obwohl eine Fähre bei ihrer Siedlung gebraucht wurde, wollte Walther diese Leute nicht mitten in seinem Gebiet haben.
»Erlaubnis? Pah! Das hier ist freies Land, und es kann jeder dort siedeln, wo er will!«, bellte der älteste Arbeiter.
Der Wieselgesichtige nickte dazu. »So ist es, Mister. Das hier wird der Kern unserer Siedlung. Schon bald wird es hier eine Stadt geben, die von guten amerikanischen Staatsbürgern bewohnt und nach mir den Namen Spencertown tragen wird.«
In dem Augenblick traf es Walther wie ein Schlag. Plötzlich war er wieder vierzehn und schlug die Trommel auf dem Schlachtfeld von Waterloo. Dort hatte er diesen Mann gesehen, und es war nicht im Guten gewesen.
»Nicodemus Spencer«, murmelte er vor sich hin.
»Das ist mein Name! Woher kennen Sie mich?«, fragte der Mann.
»Ich kenne Sie eben!« Walther konnte es kaum glauben, doch vor ihm stand der englische Soldat, der auf dem Schlachtfeld von Waterloo Giselas Mutter umgebracht hatte. Die Wut, die Walther seit damals unterdrückt hatte, fuhr jäh in ihm hoch, und er hob den Lauf seiner Büchse, um den Kerl einfach niederzuschießen. Doch wenn er dies tat, hatte er die drei anderen gegen sich. Nur mühsam gelang es ihm, sich wieder zu beruhigen. Sein Blick war jedoch wie Eis, als er Spencer und dessen Hinterwäldler musterte.
»Dies hier ist ein von der mexikanischen Regierung vergebenes Landlos, und der Empresario Don Ramón de Gamuzana ist damit beauftragt worden, es zu besiedeln. Die neuen Siedler werden in wenigen Wochen hier eintreffen. Bis dahin sollten Sie und Ihre Leute verschwunden sein. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
»Wir denken gar nicht daran! Das hier ist gutes Land, und es gehört dem, der es sich als Erster nimmt«, mischte sich der dritte Hinterwäldler ein.
»Ich glaube nicht, dass die mexikanischen Behörden der gleichen Ansicht sind. Wenn Sie nicht freiwillig gehen, werden Ihnen die Soldaten der Garnison von San Felipe de Guzmán Beine machen.«
Zwar gab es in Hernando de Gamuzanas Stadt keine Soldaten, doch Walther hoffte, Spencer und dessen Leute mit dieser Drohung zu verscheuchen.
Während die drei Baumwollhemdenträger wüst drauflosfluchten, hob Spencer begütigend die Hand. »Mister, wir können uns doch sicher einigen. Sie tragen uns hier als Siedler ein, und Ihre neuen Leute können weiter flussaufwärts ihre Farmen errichten!«
Wären ihm die Leute sympathischer und vor allem Spencer nicht bei ihnen gewesen, hätte Walther sich vielleicht darauf eingelassen. So aber schüttelte er den Kopf. »Sie werden von hier verschwinden, und zwar so schnell wie möglich!«
»Verdammt, Mister! So können Sie nicht mit mir reden«, brauste Spencer auf.
»Ich habe Sie gewarnt! Wenn ich mit den Siedlern herkomme, will ich niemanden von Ihnen mehr hier sehen. Und damit
adíos!
« Da Walther den Männern nicht traute, ließ er sein Pferd zuerst ein Stück rückwärtsgehen. Erst dann wendete er es und ritt los. Da gellte auf einmal Quiques Ruf auf.
»Vorsicht, Señor!«
Walther bog sich im Reflex zur Seite und hörte den Knall des
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