Der weite Weg nach Hause
blickte hilflos in die Runde. Sophie hatte ihm jetzt ganz demonstrativ ihren Rücken mit den so vertrauten süßen Kurven zugekehrt, ihre Arme waren feucht vom Küchendunst.
»Sie haben mich nicht angerufen, Chef. Wieso Sie oder Damian haben nicht angerufen?«
»Ich bin kein Scheißnotdienst! Ich erwarte, dass meine Angestellten zur Arbeit gehen, ohne geweckt werden zu müssen. Also geh jetzt.«
»Nein, Chef ... ich helfe Vitas mit dem Waschen ...«
»Vitas? Der ist Geschichte. Erntet Kohl in East Anglia. Hab eine neue Schwester aus Bongoland oder woher auch immer. He, Schwester, wo kommst du noch mal her?«
»Aus Niger, Chef.«
»Genau. Wird Nie-schär gesprochen. Ist nicht so viel Wassergewöhnt. Regnet da unzuverlässig. Aber er macht sich. Also lass ihn in Ruhe, Lev. Komm einfach morgen um halb vier zu mir, ja?«
»Bitte, Chef. Lassen Sie mich eine Arbeit machen.«
»Nein. Ich habe dir doch gesagt, wir haben deine Arbeit schon gemacht. Du bist überflüssig. Geh nach Hause.«
GK machte sich wieder ans Eischneeschlagen. Lev starrte vollkommen gelähmt zu Sophie. Sie verteilte jetzt ihre flambierten Entenbrüste auf Teller und hielt den Kopf tief über ihre Arbeit gebeugt. Neben jeder Entenbrust lag eine Julienne aus Karotten und Zucchini. Er sah, wie sie mit dem Löffel Wacholderbeeren aus der Flambierpfanne fischte und sie auf der goldenen Entenhaut drapierte. Sie stellte die Teller auf die Wärmeplatte. »Tisch vier!«, rief sie und drehte sich weg.
Lev zog seine Schürze aus und hängte sie auf. Er sah, dass der Junge aus Niger sich umdrehte und ihn anstarrte. Er verließ die Küche und blieb neben Damians Bar stehen, von wo er ins Restaurant schauen konnte. Es war der für einen Montag übliche »Diät-Betrieb«, aber am anderen Ende, in einer Gruppe von sechs oder sieben Personen und von Damian umschwänzelt, sah er, was er erwartet hatte: das große, selbstgefällige Gesicht von Howie Preece.
16
Alle außer Hamlet ab
»Wenn Leute gute Arbeit machen und dafür ordentlich Kohle einsacken, geht das für mich in Ordnung«, sagte Christy Slane, »aber sieh dir bloß mal das an. Erinnert mich an das Zeug, das sie im Kinderfernsehen aus Milchflaschenverschlüssen machen.«
Christy schob eine bunte Wochenendbeilage über den Tisch, an dem sie saßen und Tee tranken. Es war spät.
Von der Belisha Road her hörte man das Lärmen eines Trupps betrunkener Jugendlicher, die unter den Ebereschen und durch den Müll auf der Straße nach Hause zogen. Lev las die Überschrift: Preece packt ein . Darunter war das Foto einer gekrümmten weißen Fläche, in die Hunderte von Glühbirnen eingesetzt waren. Lev starrte darauf. Dann wanderte er mit den Augen weiter zur Bildunterschrift:
Noppenfolie von Howie Preece, eines der sechs neuen Werke, zu sehen in der Galerie Van de Merwe. Preece stellte zwei Studioassistenten ein, die diese komplexe symmetrische Konstruktion aus Epoxydharz und 60-Watt-Glühbirnen montierten.
»Ihre fließende Form«, so Nicholas van de Merwe, »suggeriert die listige Abwesenheit von Starre. Preeces Erkundungen über die Art und Weise, wie ein Gegenstand, mittels mimetischer Beschlagnahme, einem anderen neue Bedeutung verleiht, bestätigt seinen Rang als einer der interessantesten Künstler, die gegenwärtig in Großbritannien arbeiten.«
»Verstehst du jetzt, was ich meine?«, sagte Christy. »Das hätte Frankie machen können. Scheißglühbirnen!«
»Preece hat es nicht mal selbst gemacht«, sagte Lev. »Studioassistenten haben es gemacht.«
»Ja. Und das geht einem doch echt auf den Geist. Kriegt nicht mal schmutzige Fingernägel davon. Verschwendet selbst keine Zeit daran.«
Lev schlug die Seite um, stieß auf das Foto eines weiteren Werks von Howie Preece mit dem Titel Wimbledon . Auf den ersten Blick sah es aus wie ein Rechteck aus hellgrünem Rasen, durchzogen mit Streifen von der schweren Walze des Rasenmähers. Er las die Bildunterschrift:
Viele Stunden anstrengender Arbeit stecken in Wimbledon , einem Werk, das aus mehr als 11 000 Einzollnägeln besteht. Preeces Kommentar: Nägel sind ein starker Signifikant für die Rasentennismeisterschaft. Was Sie hier sehen, ist tödliches Gras.
Tödliches Gras. Lev fuhr mit den Fingern über das Foto. Musste zugeben, dass es die Illusion von etwas Weichem erzeugte, sogar eine Art von seidigem Schimmer, wie eine Wiese im morgendlichen Tau. Er drehte die Zeitschrift um und zeigte Christy das Foto: »Das ist besser«, sagte er, »vielleicht
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