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Der weite Weg nach Hause

Der weite Weg nach Hause

Titel: Der weite Weg nach Hause Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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Gesicht von seinem Sohn zu modellieren. Ich weiß, dass es kein Ölgemälde ist. Und ein bisschen Umbau könnte ihm guttun, sagst du vielleicht. Aber das hat Ella umgebracht. Ich schwör dir, so war es. Als sie sah, wie alles wieder von vorne anfing ...«
    »Ja?«
    »Aber das liegt in der Familie. Das Trinken liegt in der Familie von beiden Seiten, und das bedeutet, es liegt in meinem Blut. Deshalb hab auch ich so einen Hang dazu. Aber eins sag ich dir, und das ist die Wahrheit, bei Gott, ich habe nie die Hand gegen Frankie erhoben.«
    Christy stand auf und ging ans Fenster und sah hinaus in die orangefarben beleuchtete Dunkelheit der Belisha Road. Er zündete sich eine Zigarette an. Nach einer Weile drehte er sich um und sagte: »Weißt du was, Lev?«
    »Ja?«
    »Na ja. Das war ein schlechter Tag für dich. Beschissene 24 Stunden. Und all das tut mir auch leid. Aber für mich war er ziemlich gut. Ich muss sagen, eigentlich war er sogar außergewöhnlich. Als ich den Boiler für Jasmina wieder in Gang gekriegt hatte − und das ganze Heizsystem war vollkommen verrottet −, hatte ich plötzlich ein Gefühl von ... Euphorie . Verstehst du, was ich meine? Ich war einfach komplett verdammt scheißglücklich! Und ich dachte: Mein Gott, Christy Slane, vielleicht kannst du ja doch noch das Saufen lassen und wieder arbeiten. Das hab ich seit Monaten das erste Mal wieder gedacht. Ich mach die Klempnerarbeit nämlich gerne . Ich hab sie nie nicht gemocht. Ich krieg einen Ständer, wenn ich eine hübsche Reihe Fittings sehe. Das ist kein Witz.«
    »Das ist gut, Christy. Sehr gut.«
    »Ja, das ist gut. Plötzlich will ich wieder auf die Füße kommen.Echt. Ich glaube, du hast mir ein bisschen was beigebracht übers Neuanfangen. Ich weiß, dass ich es in mir habe, irgendwo, genau das zu tun.«
    »Das hast du ...«
    »Weißt du, was sie zu mir gesagt hat, Jasmina? Sie sagte: ›Sie haben mir das Leben gerettet, Mr Slane!‹ Das war, als ich dieses Euphoriedingsbumms kriegte.«
    Als Lev um halb vier ins Restaurant kam, wartete GK Ashe schon in der Küche auf ihn. Waldo war gerade bei den Desserts, und die Luft duftete nach Zitronen und Schokolade, aber Waldo blickte nicht auf, als Lev hereinkam, und es herrschte eine tödliche Stille im Raum.
    GK, der am Gemüsekühlschrank lehnte, trug ein schwarzes T-Shirt, cremefarbene Khakihosen und Wildlederslipper in Rot und Creme. Er hatte die Arme vor der Brust gefaltet. Sein von der Kochmütze nicht zu bändigendes Haar sah verwuschelt und jungenhaft aus, aber sein Gesicht war ernst.
    »Okay, Lev«, sagte er. »Komm, wir gehen durch ins Restaurant und setzen uns.«
    Dort war es fast dunkel, da die Jalousien an diesem grauen Nachmittag heruntergezogen waren. Sie setzten sich an den großen Tisch ganz hinten neben der Bar, wo die Köche immer saßen. Lev griff nach einer Zigarette, und GK sagte: »Klar, rauch nur, wenn du möchtest.«
    »Nein. Es ist okay, Chef.«
    »Nein, nur zu. Hier ist ein Aschenbecher. Aber es bringt dich um. Ich denke doch, das weiß du?«
    Lev fummelte mit seinem Zigarettenpapier herum. Seine Hände zitterten. Er sagte: » Das umbringt mich, dass ich gestern spät war, Chef. Also, mehr als spät. Aber ich kann erklären ...«
    »Pass auf«, sagte GK und schnitt ihm das Wort ab, »ich habe einigen Respekt vor dir. Ich habe sogar eine Menge Respekt für die Art, wie du hier gearbeitet hast. Du hast gut gearbeitet, undich glaube, du könntest in diesem Gewerbe weitermachen, weil du keine Angst hast, dass es später werden könnte, und du neugierig wie ein Frettchen bist. Du guckst , wie die Sachen gemacht werden. Und das ist unersetzlich; denn nur so kommt man in diesem Zirkus weiter. Aber ich muss jetzt zum Kern der Angelegenheit kommen, Lev. Ich entlasse dich.«
    Lev blickte hoch. Hatte er richtig gehört? Hatte er verstanden? Hatte »entlassen« tatsächlich die Bedeutung, die er befürchtete?
    »Es tut mir leid«, fuhr GK fort. »Kein Scheiß. Das ist mein Ernst. Wie ich sage, ich habe an deiner Arbeit nichts auszusetzen.«
    »Für gestern, Chef ... kann ich erklären ... bitte ...«
    »Mach es mir nicht noch schwerer. Ich werde meine Meinung nicht ändern.«
    »Ich hatte ein schlechtes Erlebnis, ich habe mein Portemonnaie verloren, ich war krank ...«
    »Es geht nicht nur um gestern, Lev. Es geht um Komplikationen .«
    »Bitte, Chef?«
    »Ich kann diese Küche nicht führen, wenn es um mich herum Komplikationen gibt. Ich kann keinerlei Chaos dulden. Das hier ist

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