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Der Welt den Ruecken - Erzaehlungen

Der Welt den Ruecken - Erzaehlungen

Titel: Der Welt den Ruecken - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich
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alten treuen Gefährten und eben seinen entsetzlichen Freund Gabor, weil sie nun einmal ein Paar waren. Alma überlegte, ob es den anderen mit ihnen wohl auch so ging. Natürlich, warum sollte da etwas anders sein. Wen luden sie wohl lieber ein, den ruhigen, etwas langweiligen Ben oder sie, Alma, meistens ziemlich unterhaltend, aber auch oft sehr spitz und verletzend, ehrlich bis zur Peinlichkeit? Sie tippte auf Ben als Sympathieträger.
    Kein Paar war so lange zusammen wie sie – heute waren es genau fünfundzwanzig Jahre. Christian hatte lange gebraucht, bis er in Gabor einen festen Partner gefunden hatte, und irgendwie nahm Alma schwule Partnerschaften nicht so ganz ernst. Leo und Gudrun hatten zwar ein Kind zusammen, lebten aber in verschiedenen Wohnungen, es kriselte und krachte dauernd, und während Gudrun abends bei ihren diversen Gurus »Ommm!« machte und sich in Yoga, Meditation und Gelassenheit übte, hatte Leo ein Verhältnis mit der Sängerin einer Punkband, was aber nur Alma wußte, und sie konnte Geheimnisse für sich behalten und freute sich darüber, daß die langweilige Gudrun mit ihrer breiten Stirn, ihren Wallekleidern, ihrer Waldorfschule, daß Gudrun, die immer an das Gute glaubte und für das Gute war und das Gute tat, Gudrun, die Leo derart schnell ein Kind untergeschoben hatte, daß Gudrun betrogen wurde. Heinz und Vivien waren als Paar nicht ernst zu nehmen. Vivien war seine zweite Frau. Mit Karin, der ersten, hatte Alma sich gut verstanden, aber die Männer über fünfzig tauschten ja gern Altes gegen Neues, nur um dann festzustellen, wieviel Einsamkeit sie sich damit eingehandelt hatten. Und wir Frauen, dachte Alma, was tun wir, wenn wir uns langweilen? Wir beißen die Zähne zusammen und halten durch.
    Heinz war ein ebenso erfolgreicher wie reicher Versicherungsagent. Vor vielen Jahren, als Ben und Alma von Bens Mutter die kostbaren Biedermeiermöbel, ein paar wertvolle Gemälde und altes Porzellan erbten, hatten sie sich entschlossen, nun doch eine Hausratversicherung abzuschließen, und hatten einen Termin mit einem Mann von der Versicherung gemacht, der den Wert schätzen sollte. Als es an der Tür geklingelt hatte, war Alma noch nicht fertig angezogen und hatte gerufen: »Ben, drück auf, das wird der Versicherungsfuzzi sein.« Ben hatte die Wohnungstür geöffnet, und da stand Heinz schon davor, die Haustür mußte offen gewesen sein, und er sah grundseriös aus, Anzug, Schlips, Aktentasche, Kaschmirmantel, aber er grinste gewinnend und sagte: »Ich bin der Versicherungsfuzzi.«
    Sie hatten sofort Freundschaft geschlossen, und diese Freundschaft hatte all die Jahre gehalten und würde auch diese dumme, magere Vivien mit ihrer Nana-Mouskouri-Brille überdauern.
    Und dann kam noch Anita, Almas älteste Freundin, die immer allein gelebt hatte. Männer ohne Zahl waren durch ihr Leben, ihr Bett, ihr Bad, ihre Küche gegangen, keiner war geblieben, weil sie auch nie gewollt hatte, daß einer blieb, aber jetzt, mit über fünfzig, wurde die Sache langsam ein bißchen gefährlicher und ein einsames Alter kündigte sich an, das wußte Anita und flüchtete sich in immer längere und immer weitere Reisen, auf denen sie das Vermögen ihrer Mutter verpraßte und möglichst vermied, in überall bösartig herumhängende Spiegel zu schauen und festzustellen, daß Jugend durchaus etwas ist, das sich verflüchtigt.
    Alma ging in die Küche und stellte die Kartoffel-Möhren-Sahne-Suppe auf kleine Flamme. Bald würden alle dasein, und sie war nicht die Art Gastgeberin, die dann noch herumhuschte, hier noch etwas holte und da noch etwas vergessen hatte. Sie saß mit ihren Gästen am Tisch und redete, und wenn etwas geholt werden mußte, konnte Ben das machen.
    Ben und Jonathan hatten sich in die Sessel gesetzt und sich eine Cohiba angezündet. »Seid ihr verrückt, jetzt vor dem Essen?« protestierte Alma, aber sie waren viel zu sehr in ihr Ritual des Zigarreabschneidens, Anzündens, des ersten Zuges versunken, um überhaupt auf sie zu hören.
    Jonathan war außer Anita der einzige von ihren Freunden, der manchmal unangemeldet auf ein paar Gläser, eine Zigarre, ein Gespräch vorbeikam. Ihn selbst besuchte fast niemand. Jonathan lebte allein, in einer entsetzlich unordentlichen Wohnung, in der sich Flaschen, alte Zeitungen und Bücher stapelten, man hätte nicht einmal gewußt, wo man sich hinsetzen sollte. Alma besuchte ihn gelegentlich, brachte ihm an Heiligabend eine Flasche Champagner, am Geburtstag

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