Der Welt den Ruecken - Erzaehlungen
alles liebte, aber das gängige Klischee verlangte an einem solchen Datum wohl rote, und mit fünfundzwanzig Cohibas von Alma für Ben, der die Montecristo Nr. 1 vorzog, aber die wäre für diesen Anlaß nicht teuer genug gewesen. Es gab ein langes Frühstück mit den üblichen, an diesem Tag leicht aufpolierten Ritualen und mit freundlichen Gesprächen, unter denen eine gewisse Gereiztheit lag, weil Alma soviel vorbereiten mußte für den Abend, und ausgerechnet heute hatte Ben sich ab mittags im Historischen Institut freigenommen und war ihr mehr im Weg als eine Hilfe.
Acht Freunde waren eingeladen, und sie kannten sich alle seit vielen Jahren, saßen um Bens und Almas großen Kirschholztisch herum und erzählten und tranken und lachten und stritten sich bis in die Morgenstunden, und dann gab es zwei Trennungen und einen, der vielleicht bald sterben würde.
Aber von all dem wußte man um acht Uhr abends noch nichts, als Alma einen letzten Blick über den gedeckten Tisch wandern ließ. Sie fand, daß ihre Feste immer die schönsten waren, schon ehe es losging, weil ihre Wohnung die schönste war, weil niemand einen Tisch so decken und schmücken konnte wie sie und weil sie ein Händchen für die richtige Beleuchtung und die richtige Mischung von Lässigkeit und Eleganz hatte. Alma war zufrieden und lächelte Ben an, der gerade ins Zimmer kam und den Arm um sie legte.
»Das hast du wieder fabelhaft hingekriegt«, sagte er und küßte sie. »Keine kann das so wie du mit dem Licht und den Blumen.«
Ja, das hatte sie auch gerade gedacht, und es ermüdete sie etwas, daß man nach fünfundzwanzig gemeinsamen Jahren anscheinend wirklich so vertraut miteinander war, daß man immer dasselbe dachte und sagte – als bestünde ein Paar nicht doch auch noch aus zwei Personen, zwei sehr verschiedenen Personen. Aber vielleicht waren das auch einfach nur fest einstudierte Sätze, die als Kitt etwas, das schon bröckelte, zusammenhielten. Jedenfalls war jetzt keine Zeit mehr, um darüber nachzudenken, denn es klingelte, und als erster kam, wie erwartet, Jonathan.
Jonathan war dick geworden in den letzten Jahren, ein schwerer Mann, heftig atmend, immer ganz in Schwarz. Man sah ihm den vielen Alkohol an, den er in sich hineinschüttete. Er war Trinker, wie es seine Eltern und seine Schwester gewesen waren, alle drei schon am Alkohol gestorben, und Ben schenkte Jonathan sofort einen kleinen Cognac ein, weil er sah, daß seine Hände zitterten. Jonathan überspielte es mit der Kälte.
»Wird abends schon lausig kalt«, sagte er und rieb seine Hände aneinander. »Stellt euch vor, dreimal bin ich heute Taxi gefahren, das dritte Mal gerade zu euch, und jedesmal, wenn mir diese Idioten von Taxifahrern eine Quittung schreiben, sagen sie heute dasselbe: Oh, 24. November, in vier Wochen ist Weihnachten! Wahnsinnig originell, was?« Und er kippte den Cognac auf einen Zug hinunter.
Ben lachte. »Als ich heute morgen vom Institut zurückfuhr und eine Quittung brauchte, da war ich der Trottel, der dachte: ach, in vier Wochen ist ja schon wieder Weihnachten, und weißt du, was der Taxifahrer sagte? In sechs Monaten gibt’s schon wieder Spargel!«
Sie gingen lachend ins große Zimmer mit den vielen kleinen, gedämpften Lampen und den vielen funkelnden Gläsern, Kerzen, den weißen Blumen, dem hinreißend gedeckten Tisch. Die fünfundzwanzig roten Rosen hatte Alma in ihr Lesezimmer gestellt, die waren ihr hier einfach zu protzig und zu kitschig vorgekommen. Man sollte den Idioten aufhängen, dachte sie, der den Männern so bleibend eingeredet hat, daß Frauen langstielige rote Rosen lieben. Es sind so ziemlich die abscheulichsten Blumen, die es gibt, und unser ganzes Liebesleben lang werden wir regelrecht zugeschissen damit.
»Wow«, sagte Jonathan, »das ist deine Handschrift, Alma, das kann keiner so wie du.« Und Alma küßte ihn und dachte: wenn das noch einer sagt heute abend, dreh ich durch, und sie wunderte sich darüber, daß sie so gereizt war. Sie hatte sich so sehr auf dieses Fest, auf diesen Abend, auf ihre ältesten und besten Freunde gefreut. Naja, es waren nicht alles ihre Freunde – Leo und Heinz brachten Frauen mit, mit denen Alma nichts anfangen konnte, aber wie sollte man Heinz einladen und Vivien nicht? Hätte man zu Heinz sagen können: laß deine dämliche Vivien bloß zu Hause? Das war eben so, wenn man fast nur Paare kannte – man mochte oft nur einen und war doch gezwungen, immer beide einzuladen, Christian, den
Weitere Kostenlose Bücher