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Der Welt den Ruecken - Erzaehlungen

Der Welt den Ruecken - Erzaehlungen

Titel: Der Welt den Ruecken - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich
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»Hey, Glück, was soll das sein?« und sang eine Zeile aus einem Song von Leonard Cohen: »There’s a crack, a crack in everything, that’s how the light gets in«, und er steckte ihr einen Joint zu. »Für dich«, sagte er, »allein rauchen, wenn dir mal danach ist.«
    Alma legte den Joint in die Schublade des Garderobenschränkchens und schob alle ins Zimmer. Während sie sich begrüßten, trudelten Heinz und Vivien ein, Vivien in einem abstoßend protzigen Pelz. Heinz schenkte eine kostbare Kiste Rotwein aus seinen Beständen, er war ein großer Weinkenner, und Vivien küßte Alma auf die Wangen und schnatterte: »Als ihr geheiratet habt, da war ich erst zwölf Jahre alt, kann man sich so was vorstellen?« und sie nahm ihre von der plötzlichen Wärme beschlagene Nana-Mouskouri-Brille ab und putzte sie.
    Als endlich alle um den Tisch saßen, kam auch Anita, wie immer zu spät, wie immer hochelegant, wie immer beladen mit Geschenken, diesmal mit einem riesigen Blumenstrauß, drei Flaschen Champagner, zwei silbernen Kerzenleuchtern für das Silberpaar. Sie weinte, umarmte Ben und Alma und rief: »Fünfundzwanzig Jahre, ich kann es gar nicht fassen.«
    »Dann fass es doch nicht«, knurrte Jonathan, »es zählen eh immer nur die ersten zwei, drei Jahre, da ist noch Leidenschaft, da wird das Fundament gelegt. Was danach kommt, ist eine Mischung aus Zufall, Ehrgeiz, Routine und Ausdauer.«
    »Du mußt reden«, rief Anita, die auch mit Jonathan vor Jahren mal eine Affäre gehabt hatte, »du hast es doch nie auf mehr als zwei, drei Jahre gebracht.«
    »Wenigstens habt ihr euch nicht auseinandergelebt, wie so viele«, sagte Heinz versöhnlich, und Jonathan antwortete sofort: »Auseinanderleben ist manchmal sehr viel gescheiter als immer und ewig zusammenleben. Symbiose ist das Opfer der eigenen Persönlichkeit im Namen der Liebe.«
    »Willst du sagen, wir sind zwei unglückliche Deppen«, fragte Ben, und Jonathan schüttelte den Kopf.
    »Nein«, sagte er, »aber ihr steht zu nahe beieinander, wie zwei alte Bäume. Zwischen euch kann nichts mehr wachsen.«
    Für einen Augenblick herrschte Stille, und Alma staunte wieder einmal darüber, wie scharf Jonathan, der doch immer in einem Alkoholnebel schwamm, alles sah und begriff. Es war so, als ob ihm vor lauter schmerzhaftem Alleinsein nichts entginge, wenn er unter Menschen kam. Dann ließ Anita die Champagnerkorken knallen, und Alma holte die Suppe aus der Küche.
    Als die Suppe auf die Teller verteilt war und Gudrun ihr obligatorisches: »Ist auch wirklich kein Fleisch drin? Ihr wißt, ich bin Vegetarierin!« losgeworden war, stießen alle mit Champagner an.
    »Auf die nächsten fünfundzwanzig!« sagte der gute Heinz, und Anita brach in Tränen aus und rief: »Dann bin ich siebenundsiebzig!«
    »Du sollst ja auch nicht fünfundzwanzig Jahre mit Ben leben, Alma soll«, sagte Heinz und gab Alma einen Kuß, und Alma dachte: noch mal fünfundzwanzig, nein, das kann ich nicht, und Ben und sie sahen sich an wie zwei Fremde. Wenn man sich zu gut kennt, wenn zuviel Nähe da ist, bleibt nichts, was man noch entdecken könnte. Jonathan hatte recht: Da wuchs nichts mehr, und eine leise Panik breitete sich wie ein Zittern in Alma aus, Panik darüber, was sie aus ihrem so gemütlich und nett eingerichteten, ihrem angeblich doch so glücklichen Leben noch machen könnte, ehe sie sich selbst ganz und gar verlor.
    Ihre Kartoffel-Möhren-Sahne-Suppe war ein Erfolg, und das Filet in Blätterteig schmorte derweil schon im Ofen, für Gudrun gab es eine Artischocke mit Sauce hollandaise. Vivien erzählte von ihrer neuen Putzfrau, die Angst hatte, in dem Zimmer zu putzen, wo Heinz seine afrikanischen Masken aufbewahrte. Sie kam von den Philippinen und fürchtete irgendeinen Voodoo-Zauber. »So dämlich ist die«, sagte Vivien, und Heinz antwortete gereizt: »Laß doch endlich mal deine Vorurteile weg. Das ist nicht dämlich, das ist eine tiefe Verbundenheit mit ihrer Kultur, mit ihrer Religion, mit alten Ängsten.« Vivien bekam hektische rote Flecken im Gesicht, und Heinz erzählte, wie er das Putzfrauenproblem gelöst hatte. »Ich hab eine billige Maske in einem Andenkenladen gekauft«, sagte er, »ganz ähnlich wie die echten, und die habe ich dann mit ihr zusammen im Garten verbrannt. Wir haben ein bißchen Hokuspokus veranstaltet, und jetzt ist das Böse ausgetrieben und sie kann mein Arbeitszimmer putzen.« Alle klatschten Beifall, Heinz nahm einen Schluck und drehte sich böse zu

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