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Der Welt den Ruecken - Erzaehlungen

Der Welt den Ruecken - Erzaehlungen

Titel: Der Welt den Ruecken - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich
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einen Kuchen, im Frühling ein paar Blumen, aber sie ging immer rasch wieder, weil sie das Gefühl hatte, in der Wohnung zu ersticken. Man wunderte sich, wie Jonathan es fertigbrachte, in dieser grenzenlosen Unordnung und in diesem ständigen Nebel von Alkohol doch alle drei, vier Jahre wieder ein gescheites Buch zu schreiben, das sich noch dazu gut verkaufte. Alma arbeitete in einer Buchhandlung, sie wußte, daß Jonathan seinen festen Leserstamm hatte, und die Kritiker liebten ihn und bedachten jedes seiner Bücher mit langen, ernsthaften Rezensionen in den Feuilletons der wichtigsten Zeitungen.
    Während Alma in der Küche die Kartoffel-Möhren-Sahne-Suppe umrührte und das Brot im Backofen röstete, hörte sie, wie sich Ben und Jonathan über Hebbel und Stifter unterhielten. Ben las gerade Stifters ›Nachsommer‹ und gestand: »Ich finde es sterbenslangweilig. Alle sagen immer, man muß den ›Grünen Heinrich‹ lesen, man muß ›Der Mann ohne Eigenschaften‹ lesen, man muß ›Nachsommer‹ lesen – ich quäle mich derart da durch, daß ich schon denke, ich bin verrückt. Oder zu blöd.«
    »Ach was«, sagte Jonathan abschätzig, »Hebbel hat damals über Stifters ›Nachsommer‹ gesagt: ich biete demjenigen, dem es gelingt, dieses Buch fertig zu lesen, die polnische Königskrone.« »Und«, fragte Ben, »wer ist polnischer König geworden?«
    »Den Posten gab’s da schon nicht mehr«, grinste Jonathan, »Hebbel riskierte nichts. Aber er hat recht. Lies von Stifter ›Brigitta‹, das ist wunderbar.«
    Alma hatte sich wieder zu ihnen gesetzt und nahm ihnen die Cognacflasche weg.
    »Schüttet euch doch nicht jetzt schon zu«, sagte sie, als es klingelte. Sie ging, um die Tür zu öffnen, und sah sehr wohl noch, daß sich Ben und Jonathan sofort, als sie sich umdrehte, noch einen Cognac eingossen, als wäre sie Luft, als wäre es völlig egal, was sie sagte, und eine leise Wut kochte in ihr hoch.
    Sie begrüßte Leo und Gudrun etwas zu laut, sie küßte Christian und Gabor, die in ihrem Schlepptau kamen, etwas zu überschwenglich, aber dann hatte sie sich wieder gefangen.
    Gudrun, wie immer in bunten Wallekleidern, roch wie ein billiges Räucherstäbchen nach irgend etwas wie Opium oder Moschus, jedenfalls sehr orientalisch, und Alma dachte: Wenn sie mir nur nicht das ganze Essen verdirbt. Aber Christian und Gabor waren auch derart stark parfümiert, daß es sowieso schon egal war. Warum mußten sich die Schwulen immer mit solchen Duftwolken umgeben? Alma wandte sich ab, um nicht niesen zu müssen, während alle ihre Mäntel aufhängten. Sie mochte Christian, sie ertrug Gabor, sie hatte nichts gegen Schwule, und in den letzten Jahren waren ihre erotischen Phantasien ohnehin mehr auf Frauen als auf Männer gerichtet, es lag also nicht daran, daß sie für gleichgeschlechtliche Beziehungen zu prüde, zu konservativ, zu intolerant gewesen wäre. Aber sie fragte sich in letzter Zeit immer häufiger, woher ihr Widerwille gegen diese ewig gleich aussehenden schwulen Paare kam. Alle, aber ausnahmslos alle trugen ab einem gewissen Alter diese kleinen grauen Oberlippenbärtchen, selten sah man sie in lässigen Anzügen oder weiten Mänteln, statt dessen klemmten sie ihre fünfzigjährigen Bäuche in superenge Jeans und trugen dazu diese Pest der Mode, hüftkurze Blousonjacken aus Leder. War das nötig? Soviel schlechter Geschmack kränkte sie, sie ertrug nichts Häßliches mehr, so wie Anita keine Lügen mehr ertrug und in ihrer Küche ein großes Schild aufgehängt hatte, auf dem stand: »Passen Sie auf, was Sie sagen. Dieses Haus verträgt nur noch die Wahrheit.« Das war ein Satz, den Michelle Pfeiffer in einem Film zu Sean Connery gesagt hatte, und Anita sagte: »Genauso ist es. Man verträgt irgendwann nur noch die Wahrheit, alles andere verursacht Schmerzen in der Seele, was immer das ist.«
    Christian und Gabor trugen kurze Lederblousons, und Gabor hatte sogar ein Herrentäschchen am Handgelenk, das immerhin hatte Alma ihrem alten Freund Christian inzwischen abgewöhnen können.
    »Kommt rein«, sagte sie, »ehe Ben und Jonathan sich zusaufen.«
    Leo nahm Alma in den Arm, drückte sie fest und herzlich an sich und sagte: »Glückwunsch, meine Liebe, fünfundzwanzig Jahre, das hat keiner von uns geschafft, das wird auch keiner schaffen.«
    Alma erwiderte seine Umarmung und sagte leise: »Das muß auch keiner schaffen. Es ist kein Wettbewerb, und es ist nicht nur das pure Glück, weißt du«, und Leo sagte:

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